[04] Kontakt 23, Ausgabe März 1987

 

Der Auftrag des Laien in der Kirche

 

Wer ist nach den Konzilsaussagen ein „Laie" in der Kirche? Keineswegs ein Nichtfachmann, der in religiösen Dingen nichts versteht. Wir dürfen uns hier vom modernen Sprachgebrauch nicht irre führen lassen. „Laie" ist vom griechischen Wort „Iaos", das heißt „Volk" abgeleitet. Das Konzil sagt positiv: „Laien sind alle, die durch die Taufe dem Volke Gottes eingegliedert sind und die auf ihre Weise am priesterlich-heiligenden, prophetisch-kündenden und königlich-leitenden Amt Christi teilhaben" (Kirchenkonstitution, Kap. 31). In diesem Sinn sind genau genommen auch alle Priester, Bischöfe und der Papst „Laien" = „Volk". Im kirchlichen Sprachgebrauch ist „Laie" jedoch ein Sammelbegriff für alle Getauften ohne Priesterweihe. Das Konzil hat die „wahre Gleichheit" aller Glieder des Gottesvolkes hinsichtlich Berufung, Verpflichtung und Würde hervorgehoben (KK 32).

 

Die Kirchenkonstitution betont, dass die Laien nicht Christen zweiter Klasse, bloß umsorgte, passive Glieder des Gottesvolkes sind, sondern in der Kirche eine eigenständige Aufgabe haben, die nicht geringer ist als die der kirchlichen Amtsträger. Es wird hervorgehoben: „Die Laien leben in der Welt, das heißt in all den einzelnen irdischen Aufgaben und Werken und den normalen Bedingungen des Familien- und Gesellschaftslebens, dort sind sie von Gott berufen, ihre eigentümliche Aufgabe auszuüben und so wie ein Sauerteig zur Heilung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen und vor allem durch das Zeugnis ihres Lebens im Glanz von Glauben, Hoffnung und Liebe Christus den anderen kund zu machen." (KK 31).

 

Das Konzilsdekret fügt die Meinung an: „Die Hirten sollen die Würde und Verantwortung der Laien in der Kirche anerkennen und fördern. Sie sollen gern deren klugen Rat benutzen, ihnen vertrauensvoll Aufgaben im Dienst der Kirche übertragen und ihnen Freiheit und Raum zum Handeln lassen, ihnen auch Mut Machen, aus eigener Initiative Werke in Angriff zu nehmen" (KK 37).

 

Mit dieser konkreten Festlegung des Konzils wird wohl besonders deutlich, wie falsch jene Einstellung ist, die man auch heute noch sowohl bei sogenannten „Pfarrherren" als auch bei bequemen „Kirchenkonsumenten" antrifft und die sehr gut charakterisiert wird von einem bissigen Ausspruch Kardinal Gasquets (1914): „Die Stellung der Laien in unserer Kirche ist eine dreifache: er kniet vor dem Altar, er sitzt unter der Kanzel und er greift nach dem Geldbeutel."

 

Der Konzilsgeist fordert zu einer Bewusstseinsvertiefung auf: Wir Laien gehören nicht nur zur Kirche, wir sind Kirche. Laie in der Kirche sein heißt nicht etwa, nur „Gnade zu konsumieren" durch Gottesdienstbesuch, sondern für das Apostolat der Kirche eigenständig Verantwortung tragen.

Das Konzil hat gute Voraussetzungen für das eine Volk Gottes aus Priestern und Laien geschaffen, die Mündigkeit der Laien ist proklamiert. Nun kommt es darauf an, dass die Priester die Mündigkeit anerkennen und die Laien sie auch erweisen. Kritik an der Kirche ist eine leichte Sache, aber dafür sorgen, dass es besser wird, ist viel schwieriger und eine Aufgabe aller.

 

Es könnte sich lohnen zu überlegen, in welchem Typus christlicher Gemeinschaft (Gemeinde) der Christ (Laie) seiner Aufgabe (Sendung) am besten gerecht werden kann. Prof. Zerfaß hat uns in seinen Ausführungen beim Katholikentag drei Gemeindeformen beschrieben, die heute mehr oder weniger deutlich erkennbar oder vermischt existieren:

 

Gemeindetyp A ist die alte volkskirchliche Pfarrei mit pyramidenförmiger Struktur. Die Basis dieser Gemeinde sind die am Ort lebenden Katholiken, die in erster Linie unter dem Aspekt ihrer religiösen Bedürftigkeit gesehen werden. „Praktizieren" heißt hier, „die Gnadenmittel der Kirche empfangen", die vom Priester an der Spitze der Pyramide in Gottesdienst, Predigt und Seelsorge nach unten weitergegeben werden.

 

Gemeindetyp B ist religiöse Organisation. Man ist sich in besonderer Weise des missionarischen Auftrags in unserer Gesellschaft bewusst geworden und hat unter Rückgriff auf populär werdende Sozialtechniken wie Gruppenarbeit, Öffentlichkeitsarbeit, Planung und Erfolgskontrolle den pfarrlichen Apparat umgebaut. Die Pfarre wird zum religiösen „Unternehmen" und die Aktivierung bisher passiver Gemeindemitglieder ist besonderes Ziel. Ein Team Hauptverantwortlicher rund um den Priester erweitert das Aktivitätszentrum.

 

Gemeindetyp C entsteht, wenn „die Betreuten" sich ändern, d. h. wenn die Gemeindemitglieder selbst daran gehen, ihre Erfahrungen im Licht des Evangeliums zu durchdenken, um Wege zu finden, als Christen (miteinander) richtig zu leben. Träger des Gemeindelebens sind nicht der Pfarrer oder ein zum Team umgebauter Kreis von Mitarbeitern, sondern die Gruppen der Gemeindemitglieder selber. Ein neuer Stil im Umgang miteinander entwickelt sich. Nicht mehr Aktivität, sondern intensives Miteinander-Leben ist die Leitlinie solcher Basis- oder Personalgemeinden.

 

Für mich steht die Basisgemeinde (Typ C) als konzilkonformste Lösung fest. Kann der Weg der üblichen Pfarrgemeinden auch in diese Richtung führen? Am 26. Jan. 1987 haben wir in der Basisgemeinde ,,Endresstraße an der Klosterkirche" mit dem Pfarrer von Mauer offen und intensiv diskutiert. Ich hatte den Eindruck, dass er auf Grund der übernommenen Struktur viele Aufgaben entsprechend Gemeindemodell A zu erfüllen hat, aber auf die Entwicklung zum Typ B intensiv hinarbeitet und von Modell C in Form von entsprechenden Sprengelgemeinschaften träumt. Aus unserer manchmal auch leidvollen, aber im Gesamten sehr positiven Gemeindeerfahrung heraus sollten wir kräftig mithelfen, aus einem Traum Wirklichkeit werden zu lassen: Wie Jesus sich Gemeinde vorgestellt hat.

Erwin Pucelj

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