[16] Steckkontakt, Ausgabe Jan. 1997
Priesterbild
Unvereinbarkeiten, zusammengestellt aus Bibel, Lexikon und Kirchengeschichte
sacerdos = der die
heiligen Handlungen tut (qui sacra dat)
Der „sacerdos“ führt die Liturgie durch, veranstaltet den Opferkult und trägt die Anliegen der Religionsgemeinschaft einem Gott oder den Göttern vor, bei den Juden natürlich dem Einen Gott. Nur er ist liturgisch rein, er darf in das Allerheiligste durch den Vorhang eintreten, er ist angekettet, damit man ihn (zB. bei Ohnmachtsanfall) aus dem Allerheiligsten herausziehen kann, ohne diesen Raum zu betreten. Er vermittelt zwischen Gott und dem Menschen.
pontifex =
der die Brücke baut
Der „pontifex“ vermittelt
zwischen Gott und dem Menschen, da eine direkte Begegnung oder Beziehung nicht
vorgesehen ist. Der „pontifex“ aber kann dies auf Grund seiner liturgischen
Reinheit.
Er ist Gemeindeleiter,
sammelt die Liturgiegemeinschaft, lädt ein und führt den Vorsitz.
Alle drei
Fremdwörter werden bei uns und auch anderswo übersetzt mit dem Wort „Priester“,
wobei unser deutsches Lehnwort „Priester“ wohl eindeutig auf das Fremdwort
„presbyter“ zurückzuführen ist. Um nicht weiter den Fehler der
Bedeutungsvermischung zum Opfer zu fallen, werde ich nun in meinen weiteren
Ausführungen die Fremdwörter verwenden.
Dem „sacerdos“ oder auch
„pontifex“ begegnen wir in der Bibel im Alten Testament. Hier erfüllt er seine
Aufgabe als der, „der die heiligen Handlungen durchführt“. Er nimmt die
Opfergaben entgegen (Lev 7,28ff, siehe auch Luk 2,22-24), er bringt die Anliegen
des Volkes vor Gott, er vermittelt.
Im Neuen Testament gibt es aber in diesem religiösen Verständnis einen totalen Umbruch. Folgen wir den ältesten Schriftzeugnissen, den Paulusbriefen:
Im 1. Brief
an die Korinther (geschrieben etwa 54) gibt es offensichtlich nur „presbyter“,
sogar eine Frau (!) wird da genannt. Es geht in diesem Brief unter anderem auch
um das „Herrenmahl“ (1Kor 11,17-34), das in der rechten Würde zu feiern ist.
Wahrscheinlich ist es so, dass der „presbyter“ einlädt, sammelt, und, da er der
Einladende ist, das Brot bricht. Der 1. Korintherbrief lässt vermuten, dass das
Sakrament der Taufe, Salbung und Handauflegung (heute getrennt als Taufe und
Firmung) dazu ermächtigt, das „Herrenmahl“ zu leiten.
Im Galaterbrief (auch etwa 54 geschrieben) wehrt sich Paulus gegen Juden, die
die alten Vorschriften (liturgische Reinheit, Speisevorschriften, Beschneidung
etc.) wieder einführen möchten (Gal 1, 2 und 3). Er weist den gesetzlichen
Vorschriften des AT einen Platz hinter der freien Gottessohnschaft zu.
Heilsbedeutend sind nicht die alten Riten (Gal 6,15), sondern der Glaube an
Jesus Christus (Gal 5,6).
Mit der Zeit dürfte sich bei längerer Betätigung eines „presbyter“s eine
„Beamtung“ eingeschlichen haben, jedenfalls werden im 1. Brief an Timotheus und
im Brief an Titus bereits Ämter und ein dazugehörender Verhaltenskodex genannt.
Jedoch wird im 1. Brief an Timotheus eindeutig ein „sacerdos“ und ein „pontifex“
als kirchlicher Amtsträger abgelehnt, „denn nur einer ist Mittler zwischen Gott
und den Menschen: der Mensch Christus Jesus“ (1Tim 2,5).
Noch deutlicher wird der
Hebräerbrief, verfasst etwa 90, wahrscheinlich von einem Paulusschüler, in 4,14
– 10,18: Jesus, der Sohn Gottes, ist der Hohepriester, also „sacerdos“ und
„pontifex“, eingesetzt von Gott selbst „nach der Ordnung des Melchisedek“ (siehe
Gen 14,18ff). Er ist der Mittler („pontifex“) des Neuen Bundes, der Opferdienst
des Alten Bundes (Auftrag des „sacerdos“) war eine Vorstufe des Heilsplanes
Gottes, denn die Menschen waren noch nicht reif und rein. Jesus Christus hat als
„sacerdos“ ein einzigartiges, einmaliges, aber auch letztendliches Opfer
dargebracht, dadurch sind die Glaubenden nun endgültig mit Gott versöhnt, und
als Kind Gottes gibt es eine direkte und personale Beziehung mit diesem Einen
Gott, sodass ein „sacerdos“ und „pontifex“ nun nicht mehr gebraucht wird. Ob nun
beim Tode Jesu tatsächlich der der Vorhang des Tempels zerriss (Mt 27,51) oder
nicht, mit dieser Botschaft möchte uns der Evangelist dasselbe mitteilen.
So weit die Fundstellen
in der Bibel. Was geschah aber dann?
Nach vielen, sehr vielen Jahren der Christenverfolgung durch staatliche Autorität und staatliche Aufwiegelung der Bevölkerung gab es endlich einen Kaiser, dem die Christen offensichtlich als verlässlich und ehrliche Menschen gefielen. Dieser Kaiser Konstantin (regierte 306 bis 337) schrieb einen gewonnenen Kriegszug dem Christengott zu (welche Verhöhnung der christlichen Botschaft!) und machte das Christentum zur Staatsreligion. Er selbst ließ sich zwar selbst nicht taufen, aber plötzlich musste sich jeder, der in der Gesellschaft etwas gelten wollte, ein Staatsamt innehatte oder anstrebte, taufen lassen. Damit war aber die lockere gemeindliche Struktur der Christen total überfordert. Der Kaiser bot den Christen die Struktur seiner Militärverwaltung an, und die gingen ihm auf den Leim um einiger Vorteile willen. So konnte man die Botschaft Christi schneller und sicherer verteilen, kirchliche Amtsträger waren mit staatlicher Autorität unterwegs, die Taufzahlen nahmen gigantische Ausmaße an. Quantität ging vor Qualität. Diese blendenden Vorteile blendeten tatsächlich, und an den Nachteilen kiefeln wir noch heute.
Die kirchlichen
Amtsträger wurden pseudomilitärische Beamte. Wie im öffentlichen Dienst wurden
zuständige Gebiete eingeteilt, Ämter mit Befehlsgewalt, Über- und Unterordnung
eingeführt, der Glaube wurde ab nun verwaltet. Es wurde eine in Rangstufen
aufgebaute Organisation als göttlich autorisiert (= Hierarchie) den ahnungslosen
oder verblendeten Christen verkauft. So kam durch die Hintertür ganz unbiblisch
wieder das Amt des „sacerdos“ und „pontifex“. Sogar die Sünden werden bis heute
verwaltet. Man braucht ja nur einige Bibelstellen in der Verkündigung
überbetonen und andere leise überschleichen.
Hier ein Beispiel:
Jesus an der Quelle des
Jordan in Cäsarea Philippi (Mt 16,18f): Du bist Petrus, und auf diesem Felsen
werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht
überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben; was du auf
Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen
wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.
Diese Ermächtigung Jesu
auf die Sündenvergebung zu deuten ist sowieso schon eine Engführung. Aber diese
Ermächtigung Jesu wird als Bestätigung der amtlichen Sündenvergebung benützt.
Der Papst als Amtsnachfolger des Petrus darf alle Sünden vergeben, mit der
teilweisen Weitergabe dieser Amtsgewalt an die Bischöfe wird der Papst entlastet
und die Sündenverwaltung dezentralisiert, die Bischöfe geben wieder teilweise
diese Amtsgewalt weiter. Kommt eine Sünde einem kirchlichen Amtsträger unter,
für die er keine Amtsgewalt hat, so muss er diese Sünde nach oben melden. So,
als ob die Lossprechungsformel ein Zauberspruch wäre.
Jesus über das Leben in
der Gemeinschaft (Mt 18,18): Amen ich sage euch: Alles was ihr auf Erden ... Den
Text kennen wir schon, nur mit einem Unterschied: Nicht du (= Petrus), sondern
ihr (= Geschwister in der Gemeinde).
Jeder in der Gemeinde
trägt also Verantwortung für die Sündenvergebung. Aber so etwas lässt sich nicht
als Machtinstrument verwalten. Diese Frohbotschaft muss leise umgangen werden.
Hört jemand genauso laut „Was kommt ihr zu mir als Amtsträger? Geht aufeinander
zu und vergebt einander selber!“ verkündet?
So haben wir nun wieder das Amt des „sacerdos“ und des „pontifex“, angeblich als gottgewollte Ordnung (= Hierarchie). Nicht mehr die einladende Hausmutter oder der einladende Hausvater oder „presbyter“ darf die Wandlungsworte gültig sprechen, sondern der „sacerdos“ muss ein Opfer darbringen (Schau, schau, die Wortwahl!), nicht mehr die Eucharistieteilnehmer oder der „presbyter“ sprechen das Lob Gottes (Hochgebet), sondern der „pontifex“ macht das für uns, es genügt nicht mehr, wenn wir einander im Auftrag Gottes vergeben, sondern der „pontifex“ muss die Lossprechung erteilen.
Die Wortwahl deckt
einiges auf:
Ein Titel des
Petrusnachfolgers: „pontifex maximus“. Ein anderer Titel: „Heiliger Vater“.
Komisch: Laut Jesus dürfen wir vor Gott hintreten und sagen „abba“ (= Papa, ein
zärtliches Wort für Vater), dem Petrusnachfolger aber müssen wir Ehrerbietung
darbringen? Wo wir ihn laut Mt 23,9 gar nicht so nennen dürfen?
Das wäre eine päpstliche
Enzyklika wert: „Weg mit diesen Titeln! Nennt mich nicht so!“
Dieser Befund kratzt aber
an den (biblischen???) Grundfesten unserer Kirche. Ämter dienen schließlich auch
der Machterhaltung, und mit Macht lässt es sich auch bequemer leben. Wenn auch
diese Macht inzwischen geschrumpft ist, so bleibt heute noch immer übrig, wenn
die Argumente ausgehen: Schreib- und Sprechverbot, Verkündigungsmonopol.
Sicher hat die
hierarchische Verwaltung auch heute noch ihre Vorteile:
Das Verkündigungsmonopl
rettet uns das Neue Testament unverändert und unverfälscht bis auf den heutigen
Tag. Über das Alte Testament wacht sowieso eine andere Glaubensgemeinschaft,
nämlich die jüdische.
Die quantitative, durch
Verwaltungsstrukturen ermöglichte Ausbreitung der Frohen Botschaft lässt auch
christliche Grundhaltungen und Werte in die öffentliche Meinungsbildung und
Gesetzwerdung teilweise einfließen. Und wenn wie so oft die kirchliche
Gemeinschaft versagt, tragen andere die Botschaft von Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit, soziale Verantwortung, Solidarität ... weiter. Zwar scheitern
auch sie oft (Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder), aber die Kirche hat ja
auch ihren Auftrag vergessen.
Nun zurück zum Anfang:
„sacerdos“ und „pontifex“ im Widerspruch zu „presbyter“. Der Widerspruch geht
uns aber alle an!
Für den kirchlichen
Amtsträger:
Bin ich „presbyter“,
machtlos, überzeugend, sammelnd, und werde nur von der ach so menschlichen
„Göttlichen Ordnung“ (= Hierarchie) zum „sacerdos“ gezwungen? Oder: Bin ich doch
lieber gleich ein „sacerdos“, der aus seiner Machtfülle heraus bequemer lebt?
Für den Laien:
Möchte ich einen
machtlosen, aber zur persönlichen Begegnung mit Gott herausfordernden
„presbyter“ und nehme den hierarchischen „sacerdos“ und „pontifex“ nur
zähneknirschend um der Einheit der Kirche willen zur Kenntnis? Oder: Ist mir ein
mit Macht ausgestatteter „sacerdos“ gleich lieber, der mir sagt, wos lang geht?
Erhard Eibensteiner
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