[18] Steckkontakt, Ausgabe Februar 2001

 

Weihbischof Dr. Helmut Krätzl an die Gemeinde

 

DR.HELMUT KRÄTZL

WEIHBISCHOF

A-1010 Wien, Stephansplatz 5

Tel. 515 52/3771, Fax 515 52/3770

email: h.kraetzl@edw.or.at

 

18.Jänner 2001

Sehr geehrte Frau Eibensteiner!

 

Ich habe nun die Visitation des Dekanates 23 abgeschlossen und in diesen Tagen ergehen die Protokolle an die einzelnen Pfarren. Im Protokoll für die Pfarre in der Endresstraße kommt mehrfach auch die Zusammenarbeit, aber auch etwas über Spannungen zwischen Pfarrgemeinde und Basisgemeinde vor. Die Inhalte dieses Protokolls werden ja im PGR besprochen werden und wie ich hoffe, auch Anlass zu gemeinsamen Planungen insgesamt geben.

 

Im Protokoll habe ich angekündigt, dass ich der Basisgemeinde einen eigenen Brief schreibe, den ich nun in der Beilage übersende. Ich hoffe, Sie verstehen, wie sehr ich die Anliegen der Basisgemeinde schätze und vor allem, was sie in den nun bald 30 Jahren geleistet hat. Andererseits geht es mir darum, das Zueinander der beiden Gemeinden für die Zukunft noch fruchtbarer zu gestalten. Aus diesem Grund habe ich der Gemeinde selbst diesen Brief geschrieben und ich bitte, ihn sehr positiv aufzunehmen. Mir ist es sehr ernst, dass in der neuen Situation, die durch die Pfarrgründung eingetreten ist, sicher auch ein neues Überdenken der heutigen Ziele der Basisgemeinde erfolgen müsste.

 

Ihnen und der ganzen Gemeinde dankt für das gelebte Glaubenszeugnis und wünscht für die Zukunft den besonderen Segen Gottes

Ihr +Helmut Krätzl

 

 

Meine lieben Mitglieder der Basisgemeinde in der Endresstraße!

 

In diesen Tagen habe ich die Visitation des Dekanates 23 abgeschlossen und die Visitationsprotokolle an die einzelnen Pfarren geschickt. Im Protokoll an die Pfarre „Erlöserkirche — Endresstraße“ ist auch das Wirken der Basisgemeinde lobend hervorgehoben, allerdings auch von einigen Spannungen die Rede, die es durch die Errichtung der neuen Pfarre gegeben hat. Sie sind heute wohl viel geringer geworden, bedürfen aber dennoch einer weiteren Aufarbeitung.

 

An die Basisgemeinde schreibe ich keinen „Visitationsbericht", wohl aber einen persönlichen Brief, der einen Rückblick auf unsere Begegnungen geben soll, aber auch einige Ratschläge für die Zukunft beinhaltet.

 

Zunächst danke ich für die verschiedenen, sehr herzlichen Begegnungen. Mir wurde erneut klar, was für Sie alle und für Ihr Glaubensleben die Basisgemeinde bedeutet. Mit großer Dankbarkeit denken Sie an P. Müller zurück, den „Vater“ dieser Gemeinde.

 

Vor allem möchte ich der Basisgemeinde danken, dass sie einige wesentliche Punkte christlichen Lebens beispielhaft vorlebt. Da ist einmal der Gedanke, den Glauben durch Werke sichtbar zu machen. Sie tun dies vor allem in den vielen sozialen Engagements, angefangen von der Therapiestation, bis heute in der Unterstützung der Kirche in der dritten Welt. Dass der gemeinsame Glaube auch zu einem gemeinsamen Leben im Alltag führen kann — das wird man nicht von allen Christen in diesem Ausmaß verlangen können — zeigen Sie durch die Wohngemeinschaft, den gemeinsamen Kindergarten und viele gemeinsame Veranstaltungen über das Liturgische hinaus. Dabei ist für Sie die Liturgie die wichtigste geistliche Quelle. Daher wollen Sie auch diese in besonderer Weise feiern, dabei die Gemeinschaft geschwisterlich erleben und Zeichen und Symbole setzen, die das verdeutlichen. Das kann alles grundsätzlich nur unterstrichen und je nach Möglichkeiten auch für andere Formen der Gemeinde als nachahmenswert hingestellt werden. Sie haben einen Weg beschritten, den Sie bewusst weitergehen sollen.

 

Jeder Weg hat aber auch bestimmte Abschnitte. Ihre Gemeinschaft lebt nun über 30 Jahre, d.h., die „Gründergeneration“ ist älter geworden, eine neue Generation kommt ganz natürlich nach. Inzwischen hat sich aber auch in Gesellschaft und Kirche vieles geändert. Manches, was Sie damals vorausschauend „fortschrittlich“ (besonders in der Liturgie) machten, ist nun in aufgeschlossenen Pfarren Allgemeingut geworden. Das so beispielhafte soziale Engagement betreffend die Therapiestation musste verändert werden, weil das weiterentwickelte Gesundheitswesen in unserem Land nun Bedingungen verlangt, die man auf privater Ebene nicht mehr erfüllen kann. Dazu kam, dass Sie durch die Gründung einer Pfarre eine neue Herausforderung bekamen, bei aller Eigenständigkeit nicht nur neben dieser neuen Gemeinde zu stehen, sondern ein beide Seiten befruchtendes Zueinander zu finden. Wahrscheinlich stehen Sie im Augenblick vor einer ähnlichen Situation, wie im Jahr 1973, also sie zum ersten Mal Ihre Statuten schrieben. Welches Ziel hat die Gemeinde nun, um unter veränderten Umständen die Grundidee weiterführen zu können?

 

Zu dieser grundsätzlichen Überlegung, zu der ich Sie nur ermutigen kann, möchte ich aber einige konkrete Hinweise geben, die dabei zu bedenken wären und gleichzeitig die noch bestehenden Spannungen lösen könnten.

 

1. Die gemeinsame Feier der Kirchenjahres

Während Sie den Sonntag bewusst in familiärer Weise am Samstag-Abend feiern, wird nun seit Jahren Weihnachten und Ostern gemeinsam begangen. Das ist sehr zu begrüßen, weil gerade an diesen Hauptfesten die größere Gemeinschaft erlebbar werden soll. Das zwingt Sie aber auch, manche Abstriche von der gewohnten Art der Liturgiefeier an diesen Festen zu machen. Einmal, weil die ganze Pfarrgemeinde mit dabei ist und nicht überfordert werden kann, zum anderen aber, weil gerade an diesen Festen viele Fernstehende kommen, denen der Zugang zur Liturgie geebnet, nicht erschwert werden dürfte. D.h. nicht, dass Sie in der Vorbe­reitung gemeinsam mit dem Liturgieteam der Pfarre nicht immer wieder auf schrittweise Erneuerungen Wert legen sollten. Die dürften aber gerade an diesen Tagen nicht auf einer (für Sie fast selbstverständliche) „Hochform" bestehen.

 

2. Erstkommunion und Firmung

Beides wird in der Basisgemeinde eigens gefeiert. Der Grundgedanke ist, die Vorbereitung von den Familien her leisten zu können, aber auch, die Feier selbst „familiär“ zu begehen.

Beide Sakramente sind heute weit über das Intensivsegment der Pfarren „Familienfeiern“ unterschiedlicher Art geworden. Dennoch sollte aber gerade in diesen Sakramenten die Initiation der Kinder und Jugendlichen in die Kirche an sich, - sichtbar in die Ortsgemeinde, damit aber gleichzeitig in die ganze Kirche - deutlicher werden. Aus diesem Grund war ja auch zuerst die Taufe Vorrecht des Bischofs (heute noch bei Erwachsenentaufe) und noch deutlicher bis heute die Firmung, für die noch immer gerade der Bischof „ordentlicher“ Ausspender ist. Vielleicht könnte überlegt werden, wie doch beide Gesichtspunkte — familiär und gesamt­kirchlich — noch besser zum Ausdruck kommen könnten, wenn die Vorbereitung wenigstens teilweise mit der Pfarre geschähe, aber sicher auch dann die Sakramentenfeier selbst.

 

3. Neues Überlegen des Grundverständnisses der Basisgemeinde im Hinblick auf die Pfarrgemeinde

Die Basisgemeinde will nicht „Kerngemeinde“ der Pfarre sein, sondern ihre Eigenständigkeit neben der Pfarrgemeinde haben. Das wird so weit stimmen, als sich ja auch nie die Kerngemeinde mit den Mitgliedern der Basisgemeinde decken wird und auch nicht soll. Dennoch müsste nach einer neuen Definition gesucht werden, nach der beide Gemeinden sowohl ihre Eigenständigkeit bewahren, als doch noch mehr als bis jetzt die gemeinsame Verantwortung für alle im Pfarrbereich Wohnenden tragen.

 

Die Überlegungen anlässlich der Visitation scheinen mir eine willkommene Gelegenheit, über dieses Grundverständnis neu nachzudenken, und damit Weichen für die Zukunft zu stellen.

 

Ich danke allen in der Basisgemeinde für ihr Zeugnis des Glaubens, das sie geben. Ich wünsche Ihnen für die nächsten Jahre den besonderen Segen Gottes, aber auch jene Erkenntnis, was Sie in dieser jetzigen Situation der Pfarre für eine Aufgabe für sich und andere haben.

Mit sehr herzlichen Grüßen

+Helmut Krätzl

Weihbischof

Wien, im Jänner 2001

 

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