[19] Steckkontakt, Ausgabe März 2001

 

Brief von Ing. Erwin Pucelj an Weihbischof Dr. Helmut Krätzl

 

Ing. Erwin Pucelj

15. 2. 2001

 

Sehr geehrter Hr. Weihbischof Dr. Krätzl!

 

Ihren freundlichen Brief an die Mitglieder der Basisgemeinde Endresstraße v. Jänner 2001 habe ich mehrmals gelesen und möchte ganz persönlich einige Gedanken dazu sagen:

 

Sie selbst sprachen wiederholt, zuletzt beim Visitationsabschluss in Inzersdorf von den „Resten der Volkskirche“. BV. Toni Berger bezeichnete die Volkskirche bereits vor Jahren als „Auslaufmodell" für das man eben noch einige Jahre Bestandteile nachliefern muss.

 

Die Alternative zu diesem sowieso nur in Restbeständen vorhandenem Auslaufmodell kann doch nur die „Gemeindekirche“ sein!? Das heißt eine Kirche, die sich an der Basis erreignet, wo Menschen ihren gemeinsamen Glauben leben und sich mit dieser Gemeinde identifizieren. Es ist nicht erfreulich, aber Tatsache, dass Mitglieder einer solchen Gemeinde als einige wenige unter einer großen Menge von Taufscheinchristen (die sich von Ausgetretenen kaum unterscheiden) in der Diaspora leben.

 

Dieser Tatsache müssen wir alle, ob wir wollen oder nicht, erkennen. Es ist für uns daher absolut nicht einsichtig, warum unsere Kinder in die Massenabfertigung von Pfarr-Erstkammunion und Pfarr-Firmung hineingedrängt werden sollen.

 

Ich habe im diakonalen Dienst an der Seite von BV Toni Berger mehrere Pfarrfirmungen erlebt:

1. waren so gut wie keine Pfarrangehörige vorhanden, und

2. hat ihm bei allem Bemühen ein großes Unverstehen und eine Interesselosigkeit vor allem der Eltern oder Begleitpersonen der Firmlinge entgegengeblickt. Nicht einmal ein Mitsingen konnte erreicht werden.

 

Trotz aller dieser Erfahrungen kann man nur hoffen, dass doch der eine oder andere positive Gedanken aus der Sakramentenvorbereitung bei den Kindern und Jugendlichen hängen bleibt. „Initiation in der Kirche“ bleibt aber leider ein frommer Wunsch, weil ja auch die Angehörigen kaum etwas mit der Kirche anfangen können.

Auf Grund des Fehlens eines Priesters bei uns am Ort fallen auch die meisten Taufen in mein Aufgabengebiet. Auch hier gibt es große Unterschiede: Eine Taufe eines Kindes unserer Basisgemeindefamilien ist ein großes Gemeindefest und vermittelt mit großer Sicherheit den Eindruck eines Aufnahmefestes in diese christliche Gemeinde.

Anders ist es mit den „Privattaufen“. Hier versammeln sich ausschließlich Verwandte und Freunde der Kindeseltern und Großeltern.

 

Zunehmend durch Weiterempfehlung werde ich von Eltern auch aus anderen Pfarren um solche Feiern in unseren Räumen gebeten. Die Mitfeiernden sind überwiegend „Fernstehende“. Auf viel „Initiation“ darf man dabei nicht hoffen. Ich versuche, diese Taufen als Feste der Freundschaft mit Jesus (... lasst die Kinder zu mir kommen) zu gestalten.

 

Adäquates ließe sich auch von den meisten Trauungen (In die Bergkirche Rodaun werde ich öfters gebeten, wichtig = Ambiente) oder auch von den Einsegnungen sagen.

 

Bei all dem handelt es sich vor allem um Festverschönerungen, worauf die Kirchenbeitragszahler Anspruch erheben. Zweifellos kann und soll man diese Feste und deren Vorbereitung pastoral nützen.

 

Aber genauso wenig wie man Gemeindetauffeste mit Privattaufen vernünftig zusammenlegen kann, passen Erstkommunion und Firmung von Gemeindekindern und Kirchenfremden, denen Kirche als Gemeinschaft keinerlei Anliegen ist, einfach nicht zusammen.

 

Im 3. Punkt Ihres Schreibens fordern Sie „... noch mehr als bis jetzt die gemeinsame Verantwortung für alle im Pfarrbereich Wohnenden“ zu tragen.

 

Da dürfte in den Gesprächen nicht deutlich geworden sein, dass

1. Die „Pfarrcaritas“ sowohl personell als auch finanziell übetwiegend von der Basisgemeinde getragen wird.

2. Ebenso die Altenpastoral

3. Auch die Besuchsaktion „Grüß Gott“ wurde mitgetragen. Dies sind jedoch Bemühungen um Arme, Kranke, Einsame, Alte und Fernstehende, die jedem Christ, der sein Christsein ernst nimmt, aufgetragen sind.

 

Bei unserem Verständnis von Kirche als Gemeinschaft geht es aber um Gemeindebildung als Grundstruktur der „neuen“ Kirche. In einer solchen Gemeinde an der Basis wird Glaube und Liebe miteinander gelebt! Das ist doch wieder etwas anderes als Service - Management als Gegenleistung für Kirchenbeitragszahlungen!

 

Müsste nicht auch die Kirchenleitung sowohl in unserer Diözese als auch in Rom endlich den Kopf aus dem Sand ziehen und den Tatsachen ins Auge schauen und das fördern, was in  die richtige Zukunft führt (oder zurück zu den Urgemeinden) und sich von den Resten des Auslaufmodells „Volkskirche“ trennen!?

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Erwin Pucelj

 

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