[20] Steckkontakt, Ausgabe Mai 2001
Weiterer Schriftverkehr
Weihbischof Dr. Helmut Krätzl - Ing. Eriwn Pucelj
DR.HELMUT KRÄTZL
WEIHBISCHOF
A-1010 Wien, Stephansplatz 5
Tel. 515 52/3771, Fax 515 52/3770
26.März 2001
Sehr geehrter Herr Diakon Ingenieur Pucelj!
Ihr Brief vom 15.Februar d.J., der durch die Veröffentlichung im Gemeindeblatt
„Steckkontakt“ die Form eines „offenen
Briefes“ angenommen hat, wunderte mich
sehr. Es wäre wohl besser und der Sache
dienlicher gewesen, über die angeschnittenen
Themen im Rahmen der Visitation oder danach
persönlich zu reden. So aber gebe ich
meine Antwort auch schriftlich:
Wenn ich von „Resten der Volkskirche“ gesprochen habe, dann sicher nicht im Sinne
eines „Auslaufmodells“. Sonst hätte ich mich nicht auf den so guten Artikel von
Medard Kehl berufen, der ja durch Dechant Novotny sogar an alle ausgeteilt
worden ist. Ich habe vielmehr betont, dass wir die „Reste der Volkskirche“ sehr
behutsam
wahrnehmen müssen und dass es in der Kirche wohl immer verschiedene Arten der
Zugehörigkeit geben wird.
Sie schreiben von einer großen Menge von Taufscheinchristen, „die sich von Ausgetretenen
kaum unterscheiden“ und meinen damit wohl die allermeisten Mitglieder der
Pfarrgemeinde in Unterscheidung zu jenen der Basisgemeinde. Ich bin über dieses
Pauschalurteil bestürzt und kann es keinesfalls teilen. Es klingt sehr
überheblich, all
jene die sich nicht in der besonderen Form einer Basisgemeinde
zusammenschließen, als dem Glauben so fernstehend zu bezeichnen, dass das
Zusammenleben mit ihnen einem Leben in der Diaspora gleichkommt.
Die heute in vielen Pfarren übliche Form der Erstkommunion und Pfarrfirmung als
„Massenabfertigung“ zu bezeichnen, ist zutiefst ungerecht. Wir alle wissen von
den
großen Schwierigkeiten, die es dabei gibt. Andererseits wurde noch nie so viel
Mühe,
zeitlich und personell, für die Sakramentenvorbereitung aufgewandt wie jetzt.
Ich
selbst gehöre wohl zu den Firmspendern mit der größten Erfahrung. Dass in
üblichen
Pfarrfirmungen „Pfarrangehörige so gut wie keine vorhanden sind“, ist ganz
einfach
falsch. Ich kenne viele Modelle, wo die Pfarrgemeinde selbst das
Firmkatechumenat mitbegleitet, durch
Familien, die für einzelne beten, durch sogenannte „Firmlotsen“,
die Firmlinge werden während der Vorbereitung
der Pfarrgemeinde vorgestellt und
nach
der Firmung auch feierlich von stellvertretenden Vorsitzenden des PGR begrüßt.
In vielen Pfarren ist sogar Teil der
Firmvorbereitung, konkrete Aufgabe in der Pfarre schon zu
übernehmen. Dass das Mitsingen nicht so
klappt, hängt wohl davon ab, dass tatsächlich
viele zur Firmmesse dazukommen, denen die dort verwendeten Lieder nicht so
bekannt sind.
Auch die Taufen außerhalb jener der Basisgemeinde als „Privattaufen“
abzuqualifizieren,
bedaure ich. In wie vielen Pfarren ist die Taufe fast in der Regel in der Gemeindemesse.
Was die Trauung betrifft, haben Sie scheinbar eine besondere Erfahrung in der
Bergkirche Rodaun. Nun ist die durch ihre Lage tatsächlich zu einer
Trauungskirche geworden. Bei der Visitation konnte ich mich aber überzeugen,
dass die Rektoratsgemeinde sich zur Aufgabe
gemacht hat, gleichsam „Fernstehenden“ bei der Vorbereitung der Liturgie
zu helfen und sie daher ihr näherzubringen.
Fast ein wenig gekränkt kritisieren sie meinen Hinweis im Visitationsprotokoll,
die
Basisgemeinde solle noch mehr als bis jetzt „die gemeinsame Verantwortung für
alle
im Pfarrbereich Wohnenden“ tragen. Es ist kein Geheimnis, dass es Spannungen zwischen
der Basisgemeinde und der Pfarrgemeinde gegeben hat. Ich schrieb im Visitationsprotokoll
auch einige Gründe dafür, die dies verstehen lassen. Gleichzeitig habe ich
mich aber davon überzeugt, dass diese
Spannungen wesentlich gemildert wurden.
Dennoch glaube ich, zurecht darauf hinweisen
zu können, dass die Sorge um die vielen
im Pfarrbereich Wohnenden, doch noch intensiver gemeinsam getragen werden
soll. Sie zählen dabei Aktivitäten in der
Pfarrcaritas, in der Altenpastoral und in der
Besuchaktion auf. Dafür sei allen gedankt,
die dies tun. Doch gerade der Ton, in dem Sie über die anderen sprechen,
bestätigt mich mehr als ich eigentlich glauben wollte,
dass die Sorge um die „anderen“ noch viel
mehr wachsen sollte. Sie schreiben, dass in der Basisgemeinde Glaube und
Liebe gelebt wird. Das habe ich durch viele Anzeichen
bestätigt gefunden. Nur müsste sich die Liebe auch auf jene erstrecken, die im
Glauben
noch nicht so fortgeschritten sind.
Zum Schlusssatz Ihres Briefes möchte ich nur sagen, dass „Rom“ sich keinesfalls
vom „Auslaufmodell Volkskirche"
trennen wird. Trotz vieler Erneuerungen, die wir
uns in der Kirche wünschen, würde ich ein solches Vorgehen auch als falsch und
unverantwortlich
ansehen.
Mit freundlichen Grüßen
Wien, 31. 3. 2001
Sehr geehrter Herr Weihbischof Dr. Krätzl!
Danke für ihre offenen Worte in Ihrem Schreiben vom 26. März. Mit großem
Bedauern stelle ich fest, dass Sie mit mir so wenig
Speziell der Verdacht der Überheblichkeit trifft mich mitten in
Herz. Seit über 23 Jahren bemühe ich mich als Cursillomitarbeiter
gerade darum, den Fernstehenden (wie auch ich lange genug einer war)
die Liebe Christi und die Menschenfreundlichkeit Gottes näher
zu bringen.
Als (e.a.) Diakon ist mein Bemühen auch immer nur Dienst am Bedürftigen.
Diese Bedürftigkeit kann materiell, geistig oder lebenssinnsuchend
sein.
Gerne hätte ich, wie Sie dies auch schreiben, ein persönliches Gespräch
geführt. Bei der Visitationsaussprache hatte ich das Gefühl
harmonischen Gleichklangs unserer Meinungen.
Beim Fest der Altarweihe waren Sie leider immer wieder zu stark
in Beschlag genommen, um ein solches Gespräch zu führen. Über
eine Gelegenheit dazu würde ich mich aber sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Erwin Pucelj
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