[24] Steckkontakt, Ausgabe April 2005

 

Fürchte dich nicht - Gott liebt die Menschen!

 

Der Brief von Fritz Straka hat mich - und viele von uns - berührt, wie ich aus den einzelnen persönlichen Gesprächen z. B. anlässlich der Flohmarkt-Arbeiten feststellen konnte. — Ein schönes Zeichen von Verbindlichkeit in der Gemeinde.

 

Ich habe im persönlichen Gespräch mit Fritz meine Ansicht zur Gottesliebe mitgeteilt und möchte dies, mit seinem Einverständnis, mit diesen Zeilen auch öffentlich tun.

 

Liebt Gott die Menschen?

Ja, uneingeschränkt und bedingungslos Ja!

 

Für mich ist Gott die unendliche und vollkommene Liebe, die ER uns anbietet und an der wir — „nach seinem Ebenbild" - teilhaben dürfen, könnten und sollten, wenn wir es wollen.

 

ER liebt uns in einem Maße, dass ER uns die uneingeschränkte Freiheit gibt, uns für das Gute, für die Liebe oder für das Böse, für Macht, Verschwendung, Zerstörung, Hass etc. zu entscheiden. Hätten wir diese Freiheit nicht, wäre diese Liebe nicht vollkommen.

Es fällt mir dazu ein Sprichwort ein, das lautet: Die Liebe ist das Kind der Freiheit! Für mich ist das eine tiefe Wahrheit. Und in dieser Freiheit handeln wir. Alle Katastrophen, alles Leid wird weitestgehend durch uns Menschen verursacht oder zugelassen.

Beispiele gefällig?

 

Tsunami-Katastrophe: Menschen haben es wider besseres Wissen zugelassen, dass keine Vorwarnsysteme in Asien vorhanden sind, dass die vorhandenen Informationen nicht rechtzeitig weitergegeben wurden, dass die Strände voll verbaut wurden, dass die Mangrovenwälder aus Gewinnsucht weitgehend abgeholzt wurden etc., etc.

 

Hungersnöte: Ausbeutung und Unterdrückung der Länder und Menschen durch Menschen (jetzt müssten wir „Reichen" den armen Ländern zurückgeben, was wir ihnen einst geraubt haben).

 

Kriege: Macht- und Gewinnstreben.

 

Krankheiten: Wir Menschen hätten die geistigen und finanziellen Möglichkeiten, diese durch intensive Forschung zu bekämpfen und zu heilen.

 

Wenn man z.B. daran denkt, dass derzeit die weltweiten Rüstungsausgaben im Jahr 800 Milliarden US-Dollar (rund 600 Mrd., das entspricht ca. 100 pro Erdenbewohner) betragen, kann man sich leicht vorstellen, wie man damit vieles positiv verändern könnte.

 

Gott hat uns die Möglichkeit gegeben mit unserer Intelligenz Schäden gegen Leib und Seele zu verhindern. Aber Gott lässt es in Seiner vollkommenen Liebe zu uns Menschen zu, dass wir uns eben immer wieder anders entscheiden. Wir sagen: ER nimmt uns an — das heißt für mich: ER nimmt uns ernst, Er lässt uns handeln — bedingungslos - auch wenn es gegen uns ist, auch wenn es gegen SEINE Liebe ist.

 

Wir können Gott nicht verantwortlich machen für Leid und alles Böse. Nicht ER lässt alles Negative zu — wir lassen es zu. Wir müssen es verantworten — vor Gott und somit vor unseren Mitmenschen.

 

Gott gibt die Liebe und will, dass wir in Seiner Liebe leben.

Darum: Fürchte Dich nicht, Gott liebt die Menschen!

Volker Anlauf

 

 

Lieber Fritz!

 

Danke für Deine Offenheit! Dein Brief hat mich sehr betroffen gemacht, besonders weil Du nicht mehr zur Kommunion gehen willst, mir tut weh, dass Deine „Seele gebrochen" ist. Weil Du in die Öffentlichkeit des Steckkontaktes gegangen bist, wage ich es, Dir ebenso zu antworten. Ein Versuch...

 

Was ist das für ein Gott, der solche Katastrophen zulässt? Dass man sie auch bildhaft miterleben kann, ist nur dank der technischen Entwicklung möglich. Wer Fantasie hat, kann mitfühlen, auch ohne Bild. Ich weiß von unendlichem Leid an Kindesmissbrauch durch Gewalt, Sex und Krieg, Hunger, Krankheit und Obdachlosigkeit. Ich „mache mein Gesicht hart wie Kiesel“ (Ez 3,8) weil ich es sonst nicht ertragen würde. Aber mein Gottesbild zerbricht nicht - weder an Naturkatastrophen noch an menschlich verursachtem Leid. Warum?

 

Weil für mich Jesus und sein Tod Schlüssel für das Leid geworden ist.

 

Gott liebt ihn, wie er jeden Menschen liebt, er straft ihn nicht durch den grausamen Tod, er braucht auch kein Sühneopfer, um versöhnt zu werden.

 

Jesu grenzenloses Zutrauen in diesen Gott, Vater und Mutter, ist ungebrochen, sogar bis in den Todesruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Ps 22,2) Dieser Psalm endet mit einem Lobpreis Gottes! Das hat der Evangelist gewusst und mitgehört!!!

 

Eine Hilfe ist mir auch das Ijob-Buch. Fritz, Du bist nicht der einzige, der Gott anklagt, weil er Ijob unverständlich leiden lässt. Ijob klagt Gott an, er schreit zu ihm, er wehrt sich gegen kurzsichtige Erklärungsversuche seiner Freunde, die theologisch argumentieren. Nein, es trifft ihn keine Strafe, er hat nichts Unrechtes getan!!! Da verlassen ihn die Freunde. Die Anklage Gottes passt nicht in ihr Gottesbild des „lieben“ Gottes, der gerechterweise - nach menschlichem Urteil - belohnt und bestraft. Die Theologen haben keine Erklärung. Erst als Ijob durch seine Gotteserfahrung seine Ohnmacht, Abhängigkeit und Endlichkeit erkennt, kann er JA sagen zu dem, was Gott ihm als Schicksal zugedacht hat und vertrauen, dass alles in seinem Willen ruht, Leben und Tod:

 

Ijob 42,5-6: Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut. Darum widerrufe ich und atme auf, in Staub und Asche.

 

Als ich in Island über Vulkanspalten gestiegen bin, hab ich daran gedacht: Wo warst du, als ich die Erde schuf? Warum lebe ich? Woher kommt Leben? Das Aussterben der Saurier, der Neandertaler hat die Entwicklung der Menschen nicht verhindert. Warum bin ich nicht mit 55 Jahren gestorben wie meine Mutter? Oder mit 20, wie mein Bruder? Es gibt keinen Garantieschein für langes, gutes, glückliches Leben. Es gibt keine Sicherheit - vor allem nicht, dass „du nicht untergehst“. Zweifel und Anklage gehören dazu. Gott weiß um den Menschen. So hat Ijob „recht geredet von Gott“, nicht die Theologen!

 

Lieber Fritz, wenn Du wegbleibst, wirst Du mir fehlen. Jeder Nacht folgt ein Tag. Ostern ist Auferstehung zu einem neuen Gottesbild:

 

Die Flutkatastrophe verändert die Verantwortung für das tägliche, persönliche Leben nicht: Nur heute die Liebe tun ... darum: Fürchtet euch nicht!

Inga Moser

 

Gott und die Natur

 

„... da gehe ich in die Natur hinaus und erlebe Gott!“ Mit diesen Worten setzt sich einer auf den Berggipfel und bewundert das Alpenpanorama. So? Die Kräfte, die den Großglockner aufgetürmt haben, waren dieselben des Seebebens am Stephanitag im Indischen Ozean. Und die lieblichen Hügel des Weinviertels? Die zerklüftete Landschaft wurde von schweren Staubstürmen aus dem Osten wie mit einem Leichentuch zugedeckt. Die weite Ebene des Tullner Feldes? Schwerste Überschwemmungen brachten Geschiebe und deckten ein Tal zu. Und die reiche Tierwelt des Okawangobeckens? Hier herrscht nur Fressen und Gefressenwerden.

 

Ja. Gott schuf die Natur. Aber sie ist nicht das Abbild Gottes. Aus dieser Natur heraus und in diese Natur hinein setzte am sechsten Tag Gott den Menschen. Er ist das Ebenbild Gottes. ER hauchte ihm seinen Geist ein, damit er zum gottgewollten Menschen wird. Gottes Odem verändert das Naturprodukt Mensch. Er wird anders als die Natur. Er kann dem Hungernden Brot geben, er kann den Entmutigten aufrichten, er kann dem Durstigen Wasser geben, er kann sich mit dem anderen freuen, trauern, kann ihn trösten, er kann sich für Gerechtigkeit einsetzen und dem anderen neue Lebensmöglichkeit und Hoffnung erschließen. Das alles kann der Mensch, wenn er den Atem Gottes in sich spürt. Das unterscheidet den Menschen von der Natur.

 

Auch ich kenne Menschen, die dem anderen das Wasser abgraben, die Unrecht einzementieren, die andere entmutigen, deren Freude aus Schadenfreude besteht, die auf den am Boden liegenden noch weiter eintreten. Die Wirtschaft, ja die gesamte Gesellschaft und die Zeitungen liefern dafür täglich die Beweise. Auch hier herrscht nur Fressen und Gefressenwerden. Es fehlt der Atem Gottes.

 

Der sechste Tag ist noch nicht zu Ende. Der Mensch als Ebenbild Gottes ist noch im Werden. Dazu ließ er seinen Sohn Mensch werden, damit wir zu Menschen werden, so meinen es die Evangelien. Es dauert noch, bis der Schöpfer am siebenten Tag seine Hände in den Schoß legen kann und sagen: „Es ist alles gut geworden.“

 

Ich will auch Gott erleben. Aber ich kann ihn nur in dem Menschen wiederfinden, der die Grenzen der Natur übersteigt.

Erhard Eibensteiner

 

Lieber Fritz!

 

Im Jahr 1628 vor Christi Geburt, also noch vor dem Auszug der Israeliten aus Ägypten, hatte sich auf Santorin einer der in historischer Zeit stärksten Vulkanausbrüche ereignet. Der Vulkankomplex Santorin kollabierte, was neben begleitenden Erdbeben zu den zerstörerischen Flutwellen führte. Die sich von Santorin ringförmig ausbreitenden Tsunamis (der japanische Wissenschaftler I. Yokojama modellierte eine Wellenhöhe von 50 Meter) brauchten für die 100 Kilometer lange Reise bis Kreta 25 Minuten und bis Tel Aviv etwa 105 Minuten. Diese Riesenwelle überrollte die, zu dieser Zeit blühende, minoische Kultur Kretas. Über die Anzahl der Opfer im östlichen Mittelmeerraum lassen sich keine seriösen Schätzungen anstellen, sie gehen aber in —zig Tausende.

 

Etliche Wissenschaftler vertreten die These, dass ein so starker Ausbruch, abgesehen von den direkten Zerstörungen durch Tsunamis und Ascheregen, auch noch weitere Folgen hatte. Das östliche Mittelmeer von der Türkei bis ins Hinterland Ägyptens lag ihrer Ansicht nach wochenlang in dämmrigem Licht. Die Durchschnittstemperaturen seien enorm gesunken und schwere Stürme aufgezogen. Giftige Gasschwaden könnten sich ausgebreitet und Schwefelsäuretröpfchen abgeregnet sein. Dadurch könnte der Boden für Jahre unfruchtbar gewesen und Seuchen ausgebrochen sein. Das Vieh wäre verendet und Fischschwärme eventuell in entfernte Gewässer gezogen, was wieder zu einer Hungersnot führte. Die Vertreter dieser These gehen davon aus, dass sich die Vulkankatastrophe in den ersten Jahren vernichtend auf jegliches Leben in dem betroffenen Raum ausgewirkt hat. Ein Szenario, wie es die biblischen Plagen im Alten Testament (Ex 7 - 12) beschreiben: "... und die Fische im Strom starben, und der Strom ward stinkend, dass die Ägypter nicht trinken konnten ...; und das währte sieben Tage lang ...; und der Herr tat solches des Morgens, und es starb allerlei Vieh der Ägypter; ...; und sie nahmen Ruß aus dem Ofen und sprengten ihn gen Himmel ...; ...da ward eine tiefe Finsternis über ganz Ägyptenland drei Tage."

 

Einige der beschriebenen Plagen spiegeln die wahrscheinlichen Folgen des Ausbruchs 1628 v. Ch. verhältnismäßig genau wieder. Auch die Wolken- (Rauch)- und Feuersäule wie in Ex 13,21 beschrieben, lassen Rückschlüsse auf diese Katastrophe zu. Die Teilung des Meeres, das Moses durchschritt und das ägyptische Heer verschlang, steht mit großer Sicherheit im Zusammenhang mit dem Phänomen eines Tsunami.

 

Warum ich dir das schreibe? Nun, bei wörtlicher Auslegung des AT (was einer historisch-kritischen Betrachtung jedoch nicht standhält) müsste man auch hier die Frage nach dem „liebenden“ Gott, der unschuldige und ahnungslose Menschen (wie z.B. die Kreter und andere Insel- und Küstenbewohner) wegen einer kleinen Zahl Israeliten vernichtete und nicht den liebenden Gott, der sein Volk schützt und aus der Gefangenschaft führt in den Vordergrund rücken.

 

Ich glaube, dass Moses die Gunst einer Stunde nützte um Ägypten mit einer kleinen Schar „Fremdarbeiter“ zu verlassen. Dies wurde von dem/den Verfasser/n des Exodus als „Gottesführung“ in diese Katastrophe eingebaut.

 

Ähnlich verhält es sich mit der Schöpfungsgeschichte (Gen 1 ff), die den Versuch darstellt, die Fragen eines im Exil lebenden Volkes nach der Herkunft des Menschen, des Bösen, Mühe und Leid in den Willen/Plan Gottes einzufügen und so zu beantworten.

 

Geodynamische, vulkanologische, meteorologische u.a. Phänomene haben nichts mit Gottesstrafe oder Gottesgunst zu tun. Wohl aber sind wir von Gott zur bedingungslosen Nächstenhilfe — und nicht nur bei Naturkatastrophen - gerufen, denn Not lindern ist ein Anliegen Gottes und dies kann er nur durch uns Menschen.

Hans Chalupka

 

Danke!

 

Was für ein Echo auf meinen Beitrag im Steckkontakt März 2005 zum Thema „Fürchte Dich nicht“, in Bezug gesetzt zur Tsunamikatastrophe in Südostasien! Was für ein Bemühen, ein ver(w)irrtes Schaf wieder in die Herde einzugliedern! Ich bin gerührt, fühle mich beschämt, ich danke Euch!

 

Neben den mir persönlich übermittelten Zusprüchen konnte ich auch diverse Beiträge von Theologen und Professoren zur Frage: „Wie konnte Gott das zulassen“ verarbeiten. Sie zeigen, dass ich nicht alleine mit meiner Verzweiflung dastehe, doch verfügen diese Personen vermutlich über eine höhere Glaubensfestigkeit, als ich sie besitze. Wahrscheinlich haben die Verfasser dieser Artikel auch nicht zwei Tage vor der Katastrophe wie ich an der Vorbereitung der Christmette (mit)gearbeitet, und prophetisch „Fürchte Dich nicht“ als Thema verkündet. Welch Ironie des Schicksals.

 

Auf Eure Stellungnahmen möchte ich nicht im Detail eingehen, in vielen Gesprächen konnten wir unsere Standpunkte austauschen. Alle Zusprüche waren jedoch für mich sehr hilfreich. Besonders der erste, sehr persönliche, liebevolle, aufmunternde Brief hat mich beeindruckt; kurze Anrufe: „Ich möchte mit Dir reden“, eine Einladung zu einer Gesprächsrunde unter Teilnahme von Michael Wagner, persönliche Briefe im Steckkontakt, ein aufmunterndes „Es wird schon wieder“, ja selbst die Aussage: „Ich verstehe ihn nicht“, haben mir in der Bewältigung meiner Probleme weiter geholfen. Zum Teil konnte ich auch Einblick über das persönliche Glaubensverständnis anderer gewinnen, wofür ich besonders dankbar bin.

 

Ich brauche wohl noch Zeit, alles zu verarbeiten, und bitte daher um Verständnis, wenn ich die nächste Zeit „leiser trete“. Mein prophetisches Wirken hat einen argen Knick erlitten.

 

Für Eure Zusprüche möchte ich mich nochmals herzlich bedanken. Inga Moser hat mir in ihrem Beitrag eine Anregung gegeben:

Ostern ist Auferstehung zu einem neuen Gottesbild!

 

Mit dem Besuch der Osternacht habe ich die Anregung aufgegriffen. Möge ER mich auf meinem Weg begleiten.

Fritz Straka

 

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