[30] Steckkontakt, Ausgabe Mai 2007
Können wir den Geist Gottes aus dem christlichen Glauben weglassen?
Weihnachten ist wohl das Fest im christlichen Alltag, das mit dem größten
Aufwand und Augenmerk gefeiert wird. Ostern als eigentlich erstes und
wichtigstes Fest des Kirchenjahres erhält zumindest liturgisch noch umfassende
Beachtung. Sonst wird es im familiären Kontext wohl eher als Ostereiersuchspiel
wahrgenommen und die Verbindung dieser Tradition zum Inhalt wird schon kaum
jemand mehr erklären können und noch weniger wohl konkret mit der eigentlichen
Mitte des Festes, der Auferstehung, verbinden.
Pfingsten und das Herabkommen des Geistes
Weder
alltäglich noch liturgisch besonders hervorgehoben wird das dritte Fest im
Ablauf des Kirchenjahres: Pfingsten, das kirchliche Fest des Heiligen Geistes,
das am 50. Tag, also sieben Wochen nach Ostern gefeiert wird. Auch der Name des
Festes leitet sich von „pentekoste" ab, dem griechischen Begriff für „fünfzig".
Nach ebenso vielen Tagen endet die österliche Festzeit. Pfingsten gilt in der
Kirche als das „Hochfest des Heiligen Geistes“. Es erinnert an das Ereignis des
Herabkommens des Heiligen Geistes, den die Jünger Jesu nach seinem Tod
„empfangen haben“. An diesem Tag begannen sie, entsprechend der bekannten
Erzählung aus der Apostelgeschichte, Jesus als den Auferstandenen zu verkünden.
Pfingsten wird darum auch als Geburtstag der Kirche betrachtet.
Während
in Apg 2 sich die Ausgießung des Geistes noch unter Brausen und Sturm mit fast
greifbaren Zungen wie von Feuer ereignet, gibt es auch noch eine andere Perikope
in der Apostelgeschichte (Apg 19,1ff.), die ebenfalls vom Herabkommen des
Geistes erzählt. Vielleicht ist diese weniger einprägsam, weil sie nicht die
dramatischen Bilder verwendet, aber vielleicht steht sie gerade deshalb der
Lebensgeschichte der meisten von uns auch näher:
„Während
Apollos sich in Korinth
aufhielt, durchwanderte Paulus das Hochland und kam nach Ephesus hinab. Er traf
einige Jünger und fragte sie: Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr
gläubig wurdet? Sie antworteten ihm: Wir haben noch
nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt. Da
fragte er: Mit welcher Taufe seid ihr denn getauft worden? Sie antworteten: Mit
der Taufe des Johannes. Paulus sagte: Johannes hat mit der Taufe der Umkehr
getauft und das Volk gelehrt, sie sollten an den glauben, der nach ihm komme: an
Jesus. Als sie das hörten, ließen sie sich auf den Namen Jesu, des Herrn,
taufen. Paulus legte ihnen die Hände auf und der Heilige Geist kam auf sie
herab; sie redeten in Zungen und weissagten. Es waren im ganzen ungefähr zwölf
Männer. Er ging in die Synagoge und lehrte drei Monate lang freimütig und suchte
sie vom Reich Gottes zu überzeugen. Da aber einige verstockt waren, sich
widersetzten und vor allen Leuten den (neuen) Weg verspotteten, trennte er sich
mit den Jüngern von ihnen und unterwies sie täglich
im Lehrsaal des Tyrannus.”
Zumindest mich erinnert diese Erzählung an einiges aus meiner eigenen Geschichte
des Christ-Werdens. Ich erlaube mir daher auch einige Überlegungen mit einem
etwas freieren und nicht streng an die Regeln der bibeltheologischen Auslegung
orientierten
Blick auf den Text:
Einige
Menschen, vielleicht von Jesus Christus und der Botschaft der Auferstehung
angesprochen, aber noch stark in den Gedanken von Umkehr und Gericht der
Botschaft des Johannes des Täufers verhaftet, werden von Paulus mit Jesus
Christus konfrontiert.
Und sie
werden bereits als gläubig bezeichnet, ohne auch nur zu wissen, dass es einen
Heiligen Geist gibt. (Der Glaube an einen dreieinigen oder dreifaltigen Gott ist
für Paulus oder zumindest den Schreiber der Apostelgeschichte also offenbar
nicht einmal Voraussetzung, dass die Menschen hier als gläubig und sogar als
„Jünger“ zu bezeichnen sind, da
Sie sind
allerdings bereit zuzuhören und lassen sich auch überzeugen und zuletzt auch auf
den Namen Jesu, des Herrn, taufen. Der Zusatz „des Herrn“ ist mehr als nur ein
Anhängsel zum Namen „Jesus“. Es vielmehr das kürzeste Glaubensbekenntnis der
Christen, denn „Herr“ ist schon im Alten Testament die Bezeichnung für Gott
selbst. Und sich „auf den Namen Jesu“ taufen lassen, lässt sich vielleicht ganz
gut übersetzen mit: sich einbinden lassen in den Wirkungsbereich Jesu, in den
Lebensbereich, wo Jesus zur Sprache kommt, gegenwärtig ist, angesprochen wird
(mit Namen) und selbst (persönlich zu mir) spricht.
„Sie
ließen sich auf den Namen Jesu, des Herrn, taufen“. Ausgedeutet möchte ich
diesen Satz sinngemäß so zum Ausdruck bringen: Die Jünger hören und lassen sich
ein auf den Wirkungsbereich Jesu, der als der Herr selbst erkannt wird und
selbst Gott ist. Und sie tun dies auch bewusst in der Handlung der Taufe, die
„Taufe des Johannes“ allein reicht offenbar nicht. Sie bezieht sich auf die
Umkehr des Menschen auf Grundlage der Verkündigung.
Als sie
das (mit sich) zugelassen haben, legt Paulus ihnen noch die Hände auf und erst
dann, nachdem sich die zuvor bereits so genannten Jünger und Gläubigen auf all
das eingelassen haben, kommt der Heilige Geist auf sie herab, sie „reden in
Zungen und weissagen“, können die Welt mit neuen Augen sehen und zum Ausdruck
bringen. In seinen Briefen ist Paulus übrigens nicht gerade ein Freund vom
„Reden in Zungen“. Er setzt es in die Nähe von „unverständlichem Gerede“, das
zwar für den Betroffenen etwas bedeutet, aber für die anderen nur schwer
zugänglich ist. Mit der Erfahrung des Geistes kann auch ein
„Verständigungsproblem“ verbunden sein, was bedeutet, dass das sinnvolle Reden
von der Erfahrung des Geistes nur im verständlicheren „prophetischen Reden“
stattfindet.
Außerdem
ist die Erfahrung des Geistes nicht Endpunkt des Erkennens, sondern Anfang. Nach
und nach wird die Welt als Welt und Erfahrungsort Gottes erschlossen, ein neues
„Sehen“ und damit eine neu erlebte und interpretierte Wirklichkeit gewinnt an
Raum. Die Gabe des Geistes Gottes ist eng verbunden mit dem Verstehen dessen,
was Reich Gottes in dieser Welt bedeutet. Und diese Erfahrung verlangt nach
einer entsprechenden Deutung. Auch Paulus beginnt in der Synagoge mit seiner
Überzeugungsarbeit. Und das Verständnis dafür stößt offenbar an massive Grenzen,
die auch im Spott münden können.
Diese
Geschichte der Geistausgießung kann ich in Folge sehr gut mit den eigenen
Erfahrungen in Verbindung bringen. Da gibt es Augenblicke im Leben, die einen
berühren und die diese Welt auf die Erfahrung einer tieferen Dimension
„durchsichtig"
werden lassen. Plötzlich trifft einen der „Atem Gottes“ und die Größe und
Schönheit des Augenblicks. Gott legt dem Augenblick die Hände auf und der im
Alltag trübe Blick wird klar. „Der Himmel hat die Erde berührt“ — wie es in
einem unserer Lieder heißt — und der Blick auf diese Erde gewinnt eine andere
Dimension. Damit beginnt ein Weg, der nach und nach als tragfähig erfahren wird,
immer wieder der Deutung bedarf und sich für solche und dieser Ersterfahrung
ähnliche Erfahrungen öffnet.
Der Geist Gottes auf der Ersatzbank?
Der
„Geist Gottes“ ist daher heute vielleicht die zu Unrecht vergessene und
vernachlässigte „dritte Person des dreifaltigen Gottes“. Die beiden
christologischen Feste Weihnachten und Ostern haben ja noch Bedeutung für uns.
Wir verstehen zumindest noch die Rede von Gott als Schöpfer des Universums, der
irgendwann einmal ihe Erde „gemacht“ hat. Auch Jesus Christus, als der, der uns
vorbildhaft vorlebt und zeigt, wie Gott sich uns Menschen eigentlich vorgestellt
hat, als Handlungsorientierung und Vorbild, fangen wir noch sehr viel an. Schließlich
gibt es im Zusammenhang mit
Jesus genug (greifbare) Erzählungen und Worte in den biblischen Schriften, die
uns vertraut sind und auch als „Anleitung“ für unser eigenes Handeln maßgeblich
sind. Jesus als „Sohn Gottes“ oder „Herr“ zu sehen und was uns das tatsächlich
im Alltag bedeutet, ist schon nicht mehr so leicht zu begreifen.
Und oft
gänzlich ungreifbar bleibt uns, was
in biblischen Texten mit dem Wirken des Geistes gemeint
Wieso
also ist es für uns Christen bedeutsam, den Heiligen Geist zu verstehen oder wie
es biblisch heißt, „mit heiligem Geist getauft" zu sein?
Wohl nur
ganz wenige von uns haben eine Erinnerung an die eigene Taufe. Als Erwachsene
erleben wir dann die Taufe anderer Kinder noch immer als eine Taufe mit Wasser,
das noch dazu angewärmt und vorsichtig mit wenigen Tropfen über unsere Säuglinge
geträufelt wird, um sie auch nicht zu irritieren. Wie soll denn auch ein so
kleines Kind den Geist Gottes empfangen können? Was ist überhaupt damit gemeint,
wenn wir vom
Geist Gottes sprechen?
In der
Realität unseres Alltags sind wir bereits gewohnt, unser tägliches Leben in
bestimmte Kategorien einzuteilen. Auch unsere von Wissenschaften geprägte Sicht
der Realität wie auch unsere Bildung vermittelt uns ein analytisches und in
einzelne Bereiche aufgeteiltes und zerteiltes Weltbild: da gibt es den Bereich
der Wissenschaft, die uns vermittelt, wie die Welt tatsächlich ist. Dort ist der
Bereich der Wirtschaft, die unsere sachliche Grundlage für unser Leben bildet.
Weiters der Bereich der Medizin, die physiologische Defekte repariert usw. Und
wenn all diese Bedürfnisse erfüllt sind, dann gibt es am Ende der Bedürfnisskala
auch noch die religiöse Perspektive, die für das psychische Wohl zuständig ist.
Doch halt, das erledigt doch bereits die Psychologie — also für den Bereich der
Lebensdeutung, der Unterstützung der gesellschaftlichen Werte und einigen
anderen Aufgaben zur Förderung eines glücklichen Lebens.
So kommt
es dann (natürlich auch durch reduzierte Deutungen seitens der Kirche
unterstützt) konsequenterweise zu Widersprüchen zwischen den biblischen
Schöpfungsentwürfen der Sieben-Tage- Schöpfung, oder der Erschaffung von Adam
und Eva auf der einen Seite und den naturwissenschaftlichen Theorien der
Expansion des Weltalls aus einem Urereignis „Urknall“ oder der Entststehung des
Menschen als Ergebnis eines Vorgangs von Mutation und Selektion in der
Evolutionstheorie von Darwin. Der Schöpfer-Geist, der Lebensatem Gottes als
Anfang der Welt und meiner selbst sieht angesichts solcher Theorien heute blass
aus.
Oder
etwas konkreter auf den Alltag bezogen: Bringen wir tatsächlich eine konkrete
Liebesbeziehung zu einem Menschen in Zusammenhang mit dem Geist Gottes?
Alltäglich ist das Religiöse wohl etwas „Zusätzliches“, das dann ins Spiel
kommt. Liebe alltäglich verstanden ist vorerst einmal Liebe der Liebenden, Liebe
die zwischen Menschen stattfindet und (bestenfalls) erst „nachträglich“ zur
Erfahrung Gottes wird.
Ist die
Erfahrung gemeinsam „auf die Beine zu stellen“, zu erschaffen, tatsächlich eine
Erfahrung des Wirkens der Schöpferkraft des Heiligen Geistes in uns? Oder
klopfen wir uns nicht tatsächlich lieber selbst auf die Schultern, finden
eigentlich selten einen Grund, genau dafür Gott zu danken, und sehen häufig
überhaupt keinen
Zusammenhang mit dem Wirken Gottes?
Wir
denken sicher oft so. Ich vermute aber, dass wir dann (noch) nicht ganz
begriffen haben, was mit einem Leben im Geist Gottes gemeint ist. Wenn wir
Religion immer als ergänzendes Element zur handfesten Realität auffassen, das
zusätzlich zu den Grundbedürfnissen im Leben dazu kommt, das Leben bloß um eine
Facette bereichert, wenn wir Religion als Dachgeschoß des Lebens auffassen, dann
hat der Geist Gottes in der Wahrnehmung unseres Leben nicht bis in die Wurzeln
gegriffen.
Eine in
diesem Zusammenhang manchmal gestellte Frage, die (so höre ich sie jedenfalls
immer wieder) darauf hindeutet: Worin besteht eigentlich der Unterschied
zwischen einem Christen und einem „Humanisten“, der sich ja ebenfalls — und das
oft viel erfolgreicher als wir Christen — um ein
gutes Leben bemüht? Dahinter
steht vielleicht auch die (verborgene und kritisch mit aller Berechtigung
gestellte) Frage: Was ist die Identität des (meines) Christseins? Warum bin ich
eigentlich Christ?
Geist Gottes als Lebenskraft (Ruach)
Auch dem
biblischen Verständnis entsprechend kommt der Geist Gottes nicht zum Leben dazu,
sondern ist an der Erschaffung des Lebens beteiligt. Der hebräische Begriff
Ruach (Wind oder Atem) ist die Lebenskraft, die uns erst lebendig macht. Der
Geist Gottes selbst ist es, der lebendig macht. Wenn wir also nach dem Geist
Gottes suchen, so finden wir ihn (- eigentlich ist das hebräische Wort Ruach
weiblich, also müssten wir sagen: „finden wir sie“) ganz nahe dort, wo wir nach
unserem Leben selbst fragen: „Warum bin ich eigentlich? Woher kommt mein Leben?
Wie kommt es, dass ich überhaupt lebe?"
Und wenn
wir nach dem Geist Gottes suchen, dann sollten wir nicht nach etwas suchen, das
als Bestandteil in unserem Leben zu finden ist, sondern vielmehr nach dem Grund
unseres Lebens. Gott haucht Adam (dem Menschen) schon bei der Schöpfung den
Lebensatem ein. Der Geist ist längst da, bevor wir überhaupt da sind, oder etwas
gewagt formuliert: Der Geist Gottes atmet von Anfang an in uns.
Derselbe
Begriff Ruach wird im Alten Testament im Zusammenhang mit der Fähigkeit des
Erkennens und Wollens (Vernunft und Wille) verwendet. Der Prophet Ezechiel
diagnostiziert das Scheitern Israels als Folge eines „versteinerten Herzens“.
Nicht die Gesetze selbst sind schlecht, sondern Israel hat es nicht geschafft,
sich danach zu orientieren. Der Versuch, Weisungen Gottes in ethischen
Dimensionen zu verwirklichen, wird als gescheitert betrachtet endet in der
Katastrophe. Ebenso kann es — so glaube ich — gelingen, die Umsetzung des
Christseins über moralische Forderungen zu erfüllen. Wenn sich Christsein darauf
beschränkt einer Jesus-Lehre oder einem Jesus-Vorbild nachzueifern, mit Hilfe
von Sätzen, die mit „du sollst“ beginnen oder die einen am Verhalten Jesu
orientierten Verhaltenscodex vorschreiben, wie wir uns als Glaubende zu
verhalten haben, dann werden wir daran scheitern. Wir müssen ja in Geschichte
und Gegenwart oft die Diagnose ernst nehmen, dass wir nicht „besser“ sind als
viele andere Menschen, die sich nicht als Christen bezeichnen. Gesetze und
moralische Forderungen mit Appellen an das Christsein sind nicht im Herzen –
eigenen Denken und Wollen – verankert, sondern rein äußerliche Ansprüche. Genau
so hat schon Israel die Gesetze
gekannt aber nicht „erkannt“, sie stehen auf Tafeln geschrieben, aber sind kein
Herzensanliegen. Denken und Wollen des Menschen haben sich dem Geist Gottes
verweigert, die Hinweise und Weisungen Gottes
sind Stein geblieben, Gott selbst hat keinen Platz im Verstehen und Wahrnehmen
der Menschen gefunden. Deshalb ist es ähnlich der Schöpfung ein „Neuschaffen“
der Mitte des Menschen, ein neues Leben, wenn Gott das Herz des Menschen
„ersetzt“ und (wieder) seinen Geist hinein legt:
„Und ich werde euch ein neues Herz geben und eine neue [„Ruach“] in euer
Inneres geben, euer steinernes Herz wegnehmen und euch ein Herz von Fleisch
geben. Ich lege meine [„Ruach“]
in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet
und sie erfüllt.“ (Ez 36,26-27)
Im
Verständnis des Alten Testaments ist das
Herz aber weniger Sitz von
Gefühl, Pathos, Sentimentalität, sondern vielmehr der Ort des Hörens,
Wahrnehmens, Erkennens und Wollens:
Verleih
daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und
das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht.
(1
Kön 3,9)
Geschichten der Trennung des menschlichen Geistes vom Geist Gottes
Wenn der
menschliche Geist sich so sehr vom Geist Gottes „emanzipiert", dass er nur mehr
mit sich selbst beschäftigt ist und es keine „Kommunikation“ mehr gibt, dann
findet in biblischer Sprache so etwas wie „Versteinerung“ statt. Gottes Wort,
ausgesprochen in der Schöpfung und an uns Menschen gerichtet, bleibt ein
„äußerliches“ Gebot. Umgekehrt: Wo Menschen den Geist Gottes in den Ereignissen
und Begegnungen entdecken (können), dort werden Christen selbst zur Botschaft
und zum „Brief“ Christi:
„Unverkennbar seid ihr ein Brief Christi, ausgefertigt durch unseren Dienst,
geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht
auf Tafeln aus Stein, sondern - wie auf Tafeln - in Herzen von Fleisch." (2 Kor
3,3)
Es ist
wohl auch nicht so leicht, in den alltäglichen Ereignissen Gottes Geist zu
entdecken. Unser Blick wird von allen möglichen Dingen geprägt und ein „Schauen
Gottes“ durch alle möglichen
Darum sage ich euch: Jede Sünde und Lästerung wird den Meschen vergeben
werden, aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben. Auch dem, der
etwas gegen den Menschensohn sagt, wird vergeben werden; wer aber etwas gegen
den Heiligen Geist sagt, dem wird nicht vergeben, weder in dieser noch in der
zukünftigen Welt. Entweder: der Baum ist gut - dann sind auch seine Früchte gut.
Oder: der Baum ist schlecht - dann sind auch seine Früchte schlecht. (Mt
12,31-33a)
Diese
Stelle im Mt-Evangelium klingt in unseren Ohren sicher wie eine massive Drohung.
Ihre Absicht ist es aber - so mein Vesuch der Interpretation — uns in radikaler
Weise vor die Entscheidung zu stellen, mit welcher Grundhaltung wir unser Leben
gestalten wollen: Entscheide dich, Mensch, ob du dein Dasein als Folge der
schöpferischen Kraft Gottes im Dialog mit deinem Ursprung leben willst, oder
eben nicht. Schlägst du den anderen Weg ein, kann nicht einmal Gott etwas
dagegen tun. Lästerung gegen den Geist ist einfach ausgedrückt der Versuch, den
Geist Gottes aus diesem Leben herauszuhalten. Die Freiheit des Menschen
beinhaltet die Möglichkeit, diese (von Gott ins Leben gerufene und im Leben
gehaltene) Welt ohne Antwort auf seine Gegenwart zu leben. Ziehen wir es vor,
auf solche Weise in „losgelöster Freiheit“ unser Leben zu gestalten, dann kann
Gott uns nicht mehr zu sich bewegen (=vergeben). Welche Möglichkeit der
Wiederaufnahme würde Barmherzigkeit dem Vater in der biblischen Parabel vom
verlorenen Sohn geblieben sein, wenn dieser nicht aus dem fremden Land
heimgekehrt wäre?
Eine
andere bekannte Geschichte, die vom Turmbau zu Babel, erzählt ebenfalls vom
Versuch der Trennung des Menschen vom Geist Gottes.
Es ist
der Geist der Selbstbehauptung und der Versuch, sich selbst einen Namen zu
machen in Abhebung und Überheblichkeit gegenüber dem Rest der Schöpfung, der dem
Geist Gottes entgegenwirkt: Dann
sagten sie: Auf, bauen wir uns eine Stadt und Turm mit einer Spitze bis zum
Himmel und machen wir uns damit
einen Namen, dann werden wir uns
nicht über die ganze Erde zerstreuen. (Gen 11,4)
Die Konsequenzen dieses „Geistes“ sind ebenfalls bekannt: keiner spricht mehr
die Sprache des anderen. Der Versuch, den Geist Gotgtes mit dem eigenen Geist zu
ersetzen, „in den Himmel zu bauen“, führt nicht nur zur Trennung vom eigenen
Ursprung, sondern auch zur Trennung untereinander, zur „Zerstreuung“. Wenn ich
die biblische Erzählung ernst nehme, ziehe ich daraus auch eine (gewagte, aber
aus religiöser Perspektive nicht unbegründete) Konsequenz: Auf rein menschliche
Anstrengung gegründete Versuche, eine Gesellschaft oder auch kleinere
Gemeinschaft geglückten Zusammenlebens aufzubauen, ist im Ansatz bereits zum
Scheitern verurteilt. Eine Gemeinschaft (ob Gemeinde oder auch Hausgemeinschaft
wie im Alten Kloster), die ihre Wurzeln weniger in der Erfahrung des Geistes
Gottes sucht, wird umso mehr Zerstreuung erfahren. Der Versuch, aus eigener
Kraft geschwisterlich zu leben und dem Geist Gottes gleichzeitig keine Chance zu
geben, macht die vermeintlichen Geschwister zu Waisen.
Der Geist als Kraft der Einigung
Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam
plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt,
und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen
wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder.
Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu
reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme
Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte
die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache
reden. (Apg 2,1-6)
Es ist
nicht
schwer zu erkennen, dass die klassische Lesung zu Pfingsten
ein Gegenbild zum
Turmbau
zu Babel
darstellt: Wie beim Stadt- und Turmbau zu Babel befinden sich alle am gleichen
Ort. Die Sprachen werden nicht verwirrt, nicht jeder spricht in der eigenen
Sprache, sondern in den Sprachen der anderen. Dem Geist der eigenen nach
beziehungsloser Eigenständigkeit strebenden Überheblichkeit, steht der Heilige
Geist gegenüber, der alle erfüllt. Die Menschen strömen nicht auseinander,
sondern zusammen.
Die
Erfahrung geht aber nicht von einem angestrengten Versuch der Einigung aus, auch
nicht in visionärer Zielentwicklung, sondern die Jünger Jesu erfahren sie
sozusagen passiv. Der Geist Gottes wird nicht gemacht, sondern erfahren. Die
einzige Grundlage für die gemeinsame Erfahrung ist das Zusammenkommen am
gleichen Ort. Höchstens Apg 1,14 einige Sätze zuvor kann in diesem Zusammenhang
noch von Bedeutung sein:
Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, ...
Genau hier
ist Geburtsstunde und Lebensquell von
kirchlicher Gemeinschaft zu suchen.
Ein kurzes Bekenntnis zum Heiligen Geist am Ende
Es ist
nicht selbstverständlich, dass ich bin. Ich erfahre mich als ein Geschenk von
Gott. Mein Atem und Leben ist von Gott „eingehaucht“. Er hat mich mit Atem
und Liebe begabt, dem geliebt
Werden und der Fähigkeit selbst zu lieben. Diese „Ereignisse“ als Orte der
Erfahrung Gottes zu begreifen, tatsächlich zu erkennen und zu erfahren ist für
mich ein Wahrnehmen, Erkennen, Spüren des Geistes Gottes. Gerade das ist eines
der „Wunder“ von Pfingsten, das ich zumindest ansatzweise nachvollziehen kann.
Manchmal ist diese Erfahrung auch tatsächlich mit einem „Sturm“ verbunden, der
bisherige Erfahrungen ins Wanken bringen kann.
Wo mein
Geist mit dem Geist Gottes im Glauben und Handeln in dieser Weise zusammen
kommt, das sind für mich solche Höhepunkte des Christseins. Hier besteht für
mich der Unterschied zum Nicht-Christsein. Keine Regeln und Gesetze (auch wenn
es moralische „Anweisungen“ sind, wie „lieb sein zueinander“ oder „einander
nichts Böses tun“, oder Forderungen der Hilfeleistung) sind Kernpunkt und
Hauptsache, sondern eher Wegweiser zum Christsein oder Folgen meines
Christseins. Ich denke, dass so auch das Liebesgebot zu verstehen ist: Liebe in
Sinne von Begegnung und Einswerden, das Leben geschenkt bekommen und es als
Geschenk zu erfahren und anzunehmen. GIauben ist so eine „Geisterfahrung“, die
vor jeder Leistung stattfindet.
Durch
Hören (Wahrnehmen) und „Handauflegung“ (Berührt‑Werden) erschließen sich damit
Erfahrungen, die in gewisser Weise einzigartig sind. Eine Wahrnehmung der „Welt“
als Ort Gottes, die einen qualitativen Unterschied für mich macht. Eine
Begegnung, die „Weissagung“ einerseits und „Stammeln“ und Zungenrede anderseits
zur Folge hat, da es mir manchmal schwer fallt, auch die richtigen Worte dafür
zu finden.
Wo ich
den Geist Gottes erfahren kann (oder könnte)? Überall! Und Ihn
täglich trotz der zahlreichen Widerstände in mir und außerhalb meiner selbst am
Werk zu sehen, das bedeutet für mich Christsein. Darum
bin ich eingetaucht in „Heiligen Geist“ oder, biblisch formuliert, mit Geist
getauft.
Nur
schade, dass der „Geist Gottes“ auch bei mir einige Zeit mehr als nur die Taufe
benötigt, bevor mich auch in meinen Handlungen „das Gesetz des lebendigen
Geistes in Christus Jesus frei gemacht hat vom Gesetz der Sünde und des Todes“,
wie Paulus das formuliert. Aber ich lebe zumindest in der Hoffnung des Geistes,
die Paulus ebenfalls in Röm 8 so zum Ausdruck bringt:
„Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat,
dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren
sterblichen Leib lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.“
Michael
Päuerl
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