[43] Steckkontakt, Ausgabe Sept. 2009

 

Hermi erinnert sich

 

Immer wieder, so auch am vergangenen Sterbetag, erinnere ich mich gerne an einen Menschen, der in meinem Leben so viel an Veränderung und Orientierung bewirkt hat:

 

P. Tone Müller

 

Es war ungefähr im Jahr 1978, als ich P. Tone kennenlernte. Er leitete schon etliche Jahre die Basis- oder Personalgemeinde an der Klosterkirche in der Endresstraße im 23. Wiener Bezirk. Nach unserer Übersiedlung nach Mauer suchten und fanden auch wir unsere geistliche Heimat – gemeinsam mit unseren Kindern – in dieser Personalgemeinde.

 

Es fällt mir schwer, P. Tone zu beschreiben. Er war ein kleiner, eher unscheinbarer Mann, der Güte und Gelassenheit ausstrahlte. Die Vermittlung seiner „geerdeten Theologie“ war für mich etwas total Neues. Ich lernte eine neue Form der Gottesdienstfeiern kennen und bald auch schätzen. Aus einem eher konservativen Glaubensverständnis kommend, durfte ich nun die befreiende Zuwendung Gottes erleben. Mein Gottesbild, vermittelt in Klosterschule und traditioneller Verkündigung, war ein fordernder, strafender Gott. Die eigene Winzigkeit und das Unvermögen, den vermeintlichen Ansprüchen gerecht zu werden, versperrten mir den Zugang zum ehrlichen Glauben. Aus heutiger Sicht war mein „Glaubensgebäude“ wie „auf Sand gebaut“, dessen Inhalte Tradition und eher krampfhaftes Bemühen um christliches Leben waren. Und dann kam Tone mit seiner „geerdeten Theologie“: Gott liebt uns, nicht nur als Gemeinschaft, sondern jeden Menschen „hat er in seine Hand geschrieben“.

 

Pater Tone verhalf mir in vielen Gesprächen zum Verständnis der Frohen Botschaft und zur Stärkung meines Selbstwertes. Die Menschen, die ich kennenlernte, sind bis heute meine Freunde. Es ist überaus glückend, in Partnerschaft und Familie „gemeinsam auf dem Weg zu sein“.

 

Ich weiß, dass diese positiven Erfahrungen auch etliche andere machten, die P. Tone zu einem neuen Zugang zum Glauben führte. Er war eine Heiliger unserer Zeit! Als Jesuit und Arbeiterpriester (als Hilfsarbeiter in der Fabrik) verstand er es, die Menschen dort abzuholen, wo sie standen und sie hinzuführen zu einem erfüllten Leben.

 

Die Dankbarkeit, ihn kennengelernt zu haben, trägt mich bis zum heutigen Tag!

Hermi Friedl

 

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