[48]
Gedanken aus einer Basisgemeinde zur Strukturreform
Bei jeder
Diskussion, egal welches Fachgebiet, ist es unter den Fachleuten wichtig, die
gleichen Fachbegriffe zu verwenden. Etwas wohl Selbstverständliches. Es ist aber
höchst erstaunlich, wie im
Fach Pastoraltheologie miteinander kommuniziert wird. Begriffe werden oft in
einem Artikel mit verschiedener Bedeutung verwendet. Missverständnisse sind
natürlich bei einer solch unexakten Sprache schon vorhersehbar. Am liebsten
würde man ein Glossar verfassen, um vor
jeder Diskussion eine Begriffsklärung zu erreichen.
Im
Thesenpapier und im nachfolgend verfassten „Leitlinien für den diözesanen
Entwicklungsprozess Apg 2.1“ kommt jene Sicht des Bischofs von Wien zum
Ausdruck, welche er in Interviews zur Weihnachtszeit gegeben hat. Ausweichende
Worte zu den Problemen innerhalb der Kirche, aber er erhebt den Ansprüche, etwas
Entscheidendes mitzureden in Politik, Wirtschaft, Gesellschaftsentwicklung,
europäische Solidarität. Dabei beachtet er überhaupt nicht die vielen Umfragen, die seit
Jahren denselben Trend erkennen lassen. Auf die Frage: „Hat die katholische
Kirche für die Menschen in unserer Zeit die richtigen Antworten?" –
Die
Antwort lautet seit Jahren NEIN
(7% JA,
5% „eher schon“,
Market-Umfrage Dez.2012). Daher erscheint der „Verkündigungseifer“ den
christlichen Glauben „im Betrieb, in
der Firma, im Büro präsent ...“ zu
machen, als
maßlose Überschätzung der Gegebenheiten. Ein glatter Realitätsverlust. Der Pfahl
im eigenen Auge..
Es genügt
eben in einer solchen Situation nicht „allgemeingültige – heilige“ Sätze zu
produzieren, sondern bescheiden auf den „heiligen Rest“ zu achten. Wer ist vom
Gottesvolk noch da? Es hat auch keinen Sinn lange über an sich schon falsch
gestellte Fragen, oder für heute bedeutungslose Themen zu diskutieren.
Im
„Thesenpapier“ –
es sollte
nur „intern vertraulich“ zirkulieren - wird zehn Seiten lang für den Leser nur
vorbereitet, was auf
den letzten beiden Seiten „verkauft“ werden soll: die Volkskirche.
Die „Volkskirche“ ist aber schon seit den
frühen
sechziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts zugrunde gegangen.
Stärken- und Schwächenanalyse der Reformpapiere:
Stärken:
Einsicht,
dass es in der Wiener Diözese Priester in der bisherigen Definition immer
weniger werden.
Einsicht, dass die Kirchenbeiträge immer weniger werden.
Einsicht, dass es einen ständigen Wandel gibt.
Einsicht, dass das christliche Leben zum 21. Jahrhundert passen muss
Überschaubare Gemeinden – Gemeinden vor Ort – werden doch positiv bewertet,
sodass man sie nicht aufheben möchte, sondern fördern möchte.
Die
Verwaltung soll konzentriert werden.
Schwächen:
Fragwürdige „Missionsvorstellungen“
Zuwenig Vertrauen auf die sich selbst organisierenden überschaubaren
Gemeinden.
Die
Vorstellung, dass sich die Mitglieder der Gemeinden am Wochenende zu der
„neuen“ Pfarrkirche begeben und dort eine große Kulisse für die
Gemeinschaftsmesse abgeben sollen. Es ist erfreulich,
wenn man die Gemeinden an ihren Standorten positiv bewertet, aber man muss
sich bewusst sein, dass der Mittelpunkt jeder christlichen Gemeinde die
Eucharistie ist. Ohne sie wird sich die Gemeinde wieder verlaufen.
Gemeindenzerstörung ist Kirchenzerstörung!
Eine
Erneuerung des Glaubens. Hier in einer weitgehend atheistischen Gesellschaft.
Die Struktur ist dabei nicht das wichtigste, aber eine Voraussetzung für
Veränderungen.
Zunächst
muss man sich über die Begriffe im Klaren sein.
PFARRE ist die kleinste rechtliche
und territoriale Einheit der Diözese. Sie hat die Infrastruktur für die auf
ihrem Gebiet angesiedelten oder erst neu zu gründeten Gemeinden zur Verfügung zu
stellen.
GEMEINDE ist Gemeinschaft um Jesus
Christus mit möglichst persönlicher Beziehung der Gemeindemitglieder
untereinander, sozialer Verantwortung für einander und für ihr Umfeld, Gemeinde
ist spirituelle Quelle und Ort, wo Glaube erfahrbar und gelebt wird. Mittelpunkt
der Gemeinde ist die Eucharistie. Sie hat auch den biblischen Auftrag, dies zu
feiern. Die Gemeinde soll „Stadt auf dem Berg“ sein und damit missionarisch.
PFARRGEMEINDE: das Wort vergessen wir am besten. Es
ist nicht definierbar.
FILIALGEMEINDEN: etymologisch betrachtet ist dieser neu kreierte Begriff
unbrauchbar. Es leitet sich von „filialis “ = „töchterlich“ oder „kindlich“ ab.
Eine Gemeinde ist weder „kindlich“ noch eine „Zweigniederlassung“. Gemeinden
haben zwar unterschiedliche „Dichte“, sind aber, soweit
sie sich bemühen, die
obere Definition von Gemeinde umzusetzen – Kirche. Voll und ganz Kirche,
natürlich dann, wenn sie sich auch um die Verbindung zur Gesamtkirche bemühen.
Was braucht die Kirche in unserer Diözese?
GEMEINDEN
Sie sind
die Kirche am Ort. Hier kann Glaube erfahrbar werden, gelebt und vermittelt
werden. Zentralismus ist dafür, wie wir es erlebt haben, passé. Die Gemeinden
wählen aus ihrer Mitte das Presbyter-Team (Leitungsteam, Frauen und Männer). Der
Bischof bestätigt dieses auf Zeit (3 Jahre mit Wiederholungsmöglichkeit auf
nochmals 3 Jahre).
KIRCHENBÜRGER und ihre FÖRDERUNG
Die so
genannten Laien müssen gefördert werden, um
priesterliche Dienste vermehrt zu übernehmen. Die Diözesanleitung wird ihre
Kirchenbürger, Frauen und Männer,
besonders zu motivieren haben, auch
Leitungsfunktionen ehrenamtlich zu übernehmen.
PRIESTER
Das
Priesterbild ist im Wandel. Sie werden auf Grund ihrer immer geringeren Zahl
vornehmlich nicht mehr Gemeindeleiter sein. Sie sind „Väter des Glaubens“,
„Mahner der wahren Werte“, Bindeglied zur Gesamtkirche (Diözese).
Das
kirchliche Amt hat sich historisch entwickelt. Es muss sich unter neuen
gesellschaftlichen Bedingungen weiterentwickeln. Auf jeden Fall ist die Zahl der
verfügbaren Priester nicht mit der Zahl von Messen in den Gemeinden
gleichzusetzen. Außerdem haben auch Priester das Recht, in
Pension zu gehen.
VERWALTUNG
Die
Pfarre ist nicht die „wichtigste Einheit gemeinsamen christlichen Lebens“, wie es
in den „Leitlinien“ der Diözese steht, sondern es ist die Gemeinde. Pfarre, eine
Rechtsperson mit territorialer Grundlage, kann das
nicht sein. Aber eine gute Infrastruktur soll sie den möglichst vielen und
intensiven Gemeinden auf ihrem Gebiet zur Verfügung stellen. Ist eine Verwaltung
wohl organisiert, so ist die Größe der Verwaltungseinheit kein Problem, solange
sie sich als Serviceorganisation für die Gemeinden fühlt.
ZIVILCOURAGE
Es
braucht vor allem Mut bei denen, welche
den Leitungsdienst in der Diözese derzeit innehaben. Mut zur Veränderung, Mut zum
Zuhören, Mut mit den Kirchenbürgern zu diskutieren, Mut die Meinung des
Gottesvolkes auch in der Gesamtkirche zu vertreten.
Es braucht den Mut der Kirchenbürger, nicht auf Reformen von oben zu warten, sondern Erneuerung zu leben.
Heimo
K E I N D L
GEMEINDE
ENDRESSTRASSE
1230 W I
E N
Dez.
2012
--> Zur Übersicht des Archives