Gedanken aus einer Basisgemeinde zur Strukturreform

 

Bei jeder Diskussion, egal welches Fachgebiet, ist es unter den Fachleuten wichtig, die gleichen Fachbegriffe zu verwenden. Etwas wohl Selbstverständliches. Es ist aber höchst erstaunlich, wie im Fach Pastoraltheologie miteinander kommuniziert wird. Begriffe werden oft in einem Artikel mit verschiedener Bedeutung verwendet. Missverständnisse sind natürlich bei einer solch unexakten Sprache schon vorhersehbar. Am liebsten würde man ein Glossar verfassen, um vor jeder Diskussion eine Begriffsklärung zu erreichen.

 

Im Thesenpapier und im nachfolgend verfassten „Leitlinien für den diözesanen Entwicklungsprozess Apg 2.1“ kommt jene Sicht des Bischofs von Wien zum Ausdruck, welche er in Interviews zur Weihnachtszeit gegeben hat. Ausweichende Worte zu den Problemen innerhalb der Kirche, aber er erhebt den Ansprüche, etwas Entscheidendes mitzureden in Politik, Wirtschaft, Gesellschaftsentwicklung, europäische Solidarität. Dabei beachtet er überhaupt nicht die vielen Umfragen, die seit Jahren denselben Trend erkennen lassen. Auf die Frage: „Hat die katholische Kirche für die Menschen in unserer Zeit die richtigen Antworten?" Die Antwort lautet seit Jahren NEIN (7% JA, 5% „eher schon“ Market-Umfrage Dez.2012). Daher erscheint der „Verkündigungseifer“ den christlichen  Glauben „im Betrieb, in der Firma, im Büro präsent ...“ zu machen, als maßlose Überschätzung der Gegebenheiten. Ein glatter Realitätsverlust. Der Pfahl im eigenen Auge..

 

Es genügt eben in einer solchen Situation nicht „allgemeingültige – heilige“ Sätze zu produzieren, sondern bescheiden auf den „heiligen Rest“ zu achten. Wer ist vom Gottesvolk noch da? Es hat auch keinen Sinn, lange über an sich schon falsch gestellte Fragen oder für heute bedeutungslose Themen zu diskutieren.

Im „Thesenpapier“ – es sollte nur „intern vertraulich“ zirkulieren - wird zehn Seiten lang für den Leser nur vorbereitet, was auf den letzten beiden Seiten „verkauft“ werden soll: die Volkskirche.  Die „Volkskirche“ ist aber schon seit den frühen sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zugrunde gegangen.

 

Stärken - und Schwächenanalyse der Reformpapiere:

 

Stärken:

 

Schwächen:

 

Was benötigt die Wiener Diözese heute eigentlich?

 

Eine Erneuerung des Glaubens. Hier in einer weitgehend atheistischen Gesellschaft. Die Struktur ist dabei nicht das wichtigste, aber eine Voraussetzung für Veränderungen.

 

Zunächst muss man sich über die Begriffe im Klaren sein.

 

PFARRE ist die kleinste rechtliche und territoriale Einheit der Diözese. Sie hat die Infrastruktur für die auf ihrem Gebiet angesiedelten oder erst neu zu gründeten Gemeinden zur Verfügung zu stellen.

 

GEMEINDE ist Gemeinschaft um Jesus Christus mit möglichst persönlicher Beziehung der Gemeindemitglieder untereinander, sozialer Verantwortung für einander und für ihr Umfeld, Gemeinde ist spirituelle Quelle und Ort, wo Glaube erfahrbar und gelebt wird. Mittelpunkt der Gemeinde ist die Eucharistie. Sie hat auch den biblischen Auftrag dies zu feiern. Die Gemeinde soll „Stadt auf dem Berg“ sein und damit missionarisch.

 

PFARRGEMEINDE: das Wort vergessen wir am besten. Es ist nicht definierbar.

 

FILIALGEMEINDEN: etymologisch betrachtet ist dieser neu kreierte Begriff unbrauchbar. Es leitet sich von „filialis “ = „töchterlich“ oder „kindlich“ ab. Eine Gemeinde ist weder „kindlich“ noch eine „Zweigniederlassung“. Gemeinden haben zwar unterschiedliche „Dichte“, sind aber, soweit sie sich bemühen, die obere Definition von Gemeinde umzusetzen – Kirche. Voll und ganz Kirche, natürlich dann, wenn sie sich auch um die Verbindung zur Gesamtkirche bemühen.

 

Was braucht die Kirche in unserer Diözese?

 

GEMEINDEN

Sie sind die Kirche am Ort. Hier kann Glaube erfahrbar werden, gelebt und vermittelt werden. Zentralismus ist dafür, wie wir es erlebt haben, passé. Die Gemeinden wählen aus ihrer Mitte das Presbyter-Team (Leitungsteam, Frauen und Männer). Der Bischof bestätigt dieses auf Zeit (3 Jahre mit Wiederholungsmöglichkeit auf nochmals 3 Jahre).

 

KIRCHENBÜRGER und ihre FÖRDERUNG

Die so genannten Laien müssen gefördert werden, um priesterliche Dienste vermehrt zu übernehmen. Die Diözesanleitung wird ihre Kirchenbürger, Frauen und Männer, besonders zu motivieren haben, auch Leitungsfunktionen ehrenamtlich zu übernehmen.

 

PRIESTER

Das Priesterbild ist im Wandel. Sie werden auf Grund ihrer immer geringeren Zahl vornehmlich nicht mehr Gemeindeleiter sein. Sie sind „Väter des Glaubens“, „Mahner der wahren Werte“, Bindeglied zur Gesamtkirche (Diözese). Das kirchliche Amt hat sich historisch entwickelt. Es muss sich unter neuen gesellschaftlichen Bedingungen weiterentwickeln. Auf jeden Fall ist die Zahl der verfügbaren Priester nicht mit der Zahl von Messen in den Gemeinden gleichzusetzen. Außerdem haben auch Priester das Recht, in Pension zu gehen.

 

VERWALTUNG

Die Pfarre ist nicht die „wichtigste Einheit gemeinsamen christlichen Lebens“, wie es in den „Leitlinien“ der Diözese steht, sondern es ist die Gemeinde. Pfarre, eine Rechtsperson mit territorialer Grundlage, kann das nicht sein. Aber eine gute Infrastruktur soll sie den möglichst vielen und intensiven Gemeinden auf ihrem Gebiet zur Verfügung stellen. Ist eine Verwaltung wohl organisiert, so ist die Größe der Verwaltungseinheit kein Problem, solange sie sich als Serviceorganisation für die Gemeinden fühlt.

 

ZIVILCOURAGE

Es braucht vor allem Mut bei denen, welche den Leitungsdienst in der Diözese derzeit innehaben. Mut zur Veränderung, Mut zum Zuhören, Mut mit den Kirchenbürgern zu diskutieren, Mut die Meinung des Gottesvolkes auch in der Gesamtkirche zu vertreten.

Es braucht den Mut der Kirchenbürger, nicht auf Reformen von oben zu warten, sondern Erneuerung zu leben.

 

Heimo  K E I N D L

GEMEINDE ENDRESSTRASSE

1230 W I E N                                                                                     12.2012

 

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